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4.-5. Juni 2010: Von Flussidyllen und Fördertürmen

Tagung der Stadtbibliothek Duisburg, des Fritz-Hüser-Instituts Dortmund und der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets, Dueísburg-Ruhrort

"Der Rhein" erscheint als eine idyllische Flusslandschaft mit gepflegten
Städten, als ein positiv besetzter Mythos und literarischer Topos -- im
Gegensatz zur "Ruhr". Der Fluss, der der Region ihren Namen gab, begleitete
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die rasante Entwicklung von einer
agrarisch geprägten Landschaft zu einer industriellen Kernzone.
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Als solche hat sie ambivalente Bilder erzeugt. Für die einen war das
Ruhrgebiet ein schwarzes Stück Deutschland, eine Region harter und
schmutziger Arbeiten, bescheidener Lebensverhältnisse, geschichts- und
kulturloser Städte, zerstörter Natur, unkontrollierter wirtschaftlicher
Macht. Andere sahen im Ruhrgebiet ein Vorbild für die moderne Arbeits- und
Lebenswelt, für die Faszination der Technik, für eine internationale und
solidarische Gesellschaft, für die Metropolen der Zukunft.

Beide Sichtweisen finden sich in der deutschen Literatur des 19. und 20.
Jahrhunderts wieder -- in Romanen, Erzählungen und Gedichten ebenso wie in
Reportagen, Essays, Rundfunk- und Zeitungsbeiträgen.

Heinrich Hauser beispielsweise beschrieb in seinem Reportageband "Schwarzes
Revier" (1930) die Tristesse der Landschaften und das karge Leben der
Menschen im Ruhrgebiet - und fühlte sich am Ende seines Buches in Köln
befreit von diesem "Krieg". Erik Reger, der in seinen Romanen "Union der
festen Hand" (1931) und "Das wachsame Hähnchen" (1932) die sozialen
Schichten des Ruhrgebiets, die reaktionären oder provinziellen Denk- und
Lebensweisen seziert hatte, verließ mit seinem 1933 veröffentlichten Roman
"Schiffer im Strom" die Duisburger Industriekulisse über Ruhrort
rheinaufwärts nach Andernach.

Dagegen zeichnete Alfons Paquet in der Weimarer Republik nicht nur ein positives Bild der rasanten Technik- und Wirtschaftsentwicklung des "Giganten an der Ruhr", sondern entwirft erstmals auch die Vision einer vernetzten Rhein-Ruhr-Metropole. Am Ende der 1950er Jahre rückte der Kölner Heinrich Böll die besondere Sozialgeschichte des Ruhrgebiets in den Blick und beschrieb den "Schmelztiegel" als Heimat.

Der Antagonismus zwischen Ruhr und Rhein wirkte lange nach. So schrieb
Jürgen Lodemann in seinem Roman "Erinnerungen in der Zornigen Ameise an
Geburt, Leben, Ansichten und Ende der Anita Drögemöller und Die Ruhe an der
Ruhr" (1975) auch über die Fremdbestimmung der Malocher des Ruhrgebiets
durch die Zentren der damaligen politischen und unternehmerischen Macht,
Düsseldorf und Bonn.


Im Rahmen der Tagung solles um zwei Ziele gehen. Zum einen sollen die
vorhandenen Forschungen und Erkenntnisse zusammengetragen werden, um einen Überblick über zwei Jahrhunderte deutscher Literatur im Hinblick auf die
"Nahtstelle Ruhr und Rhein" zu erhalten. Zum anderen sollen bislang
unbeachtete Aspekte des Themas erschlossen und neue Forschungen angeregt
werden.