von der südbrücke
reiher in formation ein keil
durch den angedunsteten
himmel schwingen folgen
dem wasserlauf rhein auf
diese brücke ist mein ort
sagt die begleiterin jeder
sollte einen ort haben für
sich entdecken vermerken
meiner ist da wohin ich
ziehe erwidere ich solange
ich diesen ort nicht kenne
gehört er mir wir streifen
die schuhe ab sind uns
lehne unsere füße baumeln
wo der morgen in den
schnäbeln verschwindet
Achim Wagner
Ruhig, geradezu nachdenklich kommt es daher, das in der elektronischen Zeitschrift erstmals publizierte Südbrückengedicht von Achim Wagner. Es hat nichts Aufgeregtes, Marktschreierisches oder Überdrehtes. Mit diesem Duktus knüpft es an Achim Wagners andere Rheinlyrik an, besonders an “mein rheinlied” aus dem Band “anna beats - gesänge” (2004).
Rheinlyrik zu schreiben, um dem guten alten Vater Rhein neues literarisches Wasser zuzuführen, ist gar nicht so einfach. Schließlich haben die Mythen und Sagen rund um den Strom sich fest in den Köpfen der Menschen verankert: Die Loreley, der Bingener Mäuseturm, der Rolandsbogen und natürlich der Kölner Dom, um nur einige markante Punkte zu nennen.
Gerade bei so großen Vorläufern wie Heinrich Heine, Clemens Brentano und Achim von Arnim, die das romantische Herzstück des Rheins literarisch aus der Taufe gehoben haben, fällt es schwer, sich dem Rheinthema unverstellt zu nähern. Und auch die Anzahl der nachfolgenden Epigonen bis ins 21. Jahrhundert ist nicht klein.
Daher ist Achim Wagners stille Art, den Rhein bei einem Spaziergang über die Südbrücke literarisch zu beschreiten, wohltuend unprätentiös. Er nähert sich dem Rheinthema als Flaneur langsam an - und seine Begleiterin erklärt diese Brücke “als ihren ort”. Hiermit thematisiert das Gedicht in verschlüsselter Form auch die schon immer mit dem Fluss verbundene Identitätssuche, wobei es in Wagners Gedicht um die individuelle Erschließung geht, darum, sich etwas zu Eigen zu machen. Das “lyrische Ich” im Gedicht “von der südbrücke” bezieht im Gegensatz zur seiner Begleiterin eine andere Position. Es ist da zu Hause, wo es hinzieht. Sein Ort ist immer da “solange ich ihn nicht kenne”. Damit reflektiert das Gedicht auch eine Sehnsucht nach der Ferne, ein Verlangen nach Aufbruch und Weite.
Von heimattümelnden Gedichten ist Achim Wagner damit meilenweit entfernt. Er fängt in seinem Gedicht die Stimmungslandschaft “Rhein” im Morgennebel ein. Zwischen Wohlfühlen und Fernweh, zwischen Angekommensein und Weiterziehenwollen.
Achim Wagner, geboren 1967 in Coburg, wohnt in Köln. Er engagiert sich u.a. in der Rheinischen Brigade, die er 2001 im Kölner Literaturhaus zusammen mit Enno Stahl und Stan Lafleur gründete. Darüber hinaus initiierte er gemeinsam mit Enno Stahl und Adrian Kasnitz die Kölner Lesebühne. (Weitere biographische Hinweise siehe: www.lesebuehne-koeln.de)
Sabine Brenner-Wilczek