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80. Geburtstag von Astrid Gehlhoff-Claes

Von Ingrid Hein
Am 6. Januar 2008 feiert die Dichterin Astrid Gehlhoff-Claes ihr vollendetes 80. Lebensjahr.
Aber sie feiert in – Düsseldorf!
Soll Köln da überhaupt auch gratulieren?

Köln, die selbstbewusste Kaufmannsstadt, die schon ihre Erzbischöfe gern vor die Tore getrieben hat, und auch mit ihren in frühen Jahren meist brotlosen Künstlern nicht direkt kunstehrfürchtig umgegangen ist, sollte sich hier unbedingt zu einer ganz klüngellosen Hommage stimmen lassen, denn Astrid Gehlhoff-Claes hat einen Klang in Köln, und Köln darf sich umgekehrt rühmen als Ort ihres jungen Wissenschafts- und Dichterruhms.

Geboren 1928 in Leverkusen unter "dem leuchtenden Bayerkreuz", immerhin am Rhein, zieht bald nach Köln mit dem Zwölferkranz romanischer Kirchen, in denen sie weniger betet als dichtet, mit dem Dom und dem goldenen Schrein für die Gebeine der Hl. Drei Könige. Sie werden ihre ganz persönlichen Sterndeuter, Gabenbringer, Schutzheilige über ihrem Leben, das mit dem Dreikönigstag glücklich beginnt. Ihr Schulweg führt nahe am "Klingelpütz" vorbei, dem Kölner Gefängnis, damals noch in der Innenstadt.

Viel später wird sie, vielleicht auch in Erinnerung daran, ihr Lebenswerk gründen "Mit Worten unterwegs. Dichter arbeiten mit Inhaftierten"(1975 – 2000), einem gemeinnützigen Verein von Dichtern, vor Gefangenen lesend, wovon manche sich selber schreibend therapieren, mit denen sie wiederum zusammen mit Dichtern eine Anthologie herausgibt:"Bis die Tür aufbricht"(1986).

In Köln beginnt sie ihr Studium. Die Universität zu Köln bot vielleicht gerade kurz nach dem Krieg, auch wenn der Lehrbetrieb nie völlig zum Erliegen kam, gerade für die jungen Frauen ihrer Generation einen glücklichen, noch ganz voremanzipatorischen Forder- und Förderrahmen. Viele dieser Generation, auch sie, hatten Gottfried Benn als ihr Vorbild eines modernen Dichters erwählt, mit seinen "kühlen Prachtversen", wie Dieter Wellershoff (1925 geboren), der ihn mit Erlaubnis von Ilse Benn später herausgab, in seiner Benn-Dissertation befand, kein Seher-Dichter mehr, sondern ein Dichter-Pathologe. Die allererste Dissertation über Benn schrieb 25jährig 1953 Astrid Claes "Der lyrische Sprachstil Gottfried Benns" in Köln bei Richard Alewyn, der ihr lieber zu Barocklyrik raten wollte.2003 wurde sie anlässlich ihrer Ehrung zum 75. Geburtstag erstmals gedruckt.

2002 gab sie gegen den Widerstand einer damaligen Benn-Geliebten "Gottfried Benns Briefe an Astrid Claes 1951 – 1956" heraus, einen poetologischen Briefwechsel, der sich mit dem Dichter entspann, als sie jugendlich-wagemutig ihm ihre Kölner Arbeit und ihre Fragen dazu schickte.

2002 beschrieb sie in ihren autobiografischen Skizzen "Inseln der Erinnerung" ihr persönliches Treffen in Kassel. Ein Abschiedsessen im Kölner Domhotel – sie kam mit ihrem Verlobten – markierte das Ende der Begegnung zwischen Dichter und Dichterelevin.

Noch unter dem Eindruck Benns, der ihre Lyrik schätzte und in seinem Verlag unterbrachte, schreibt sie in Köln, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1957 "Das Gesicht und die Maske", die erste wissenschaftliche Arbeit über Else Lasker-Schüler, eine Dichterkollegin und Weggefährtin Benns, 1959 ediert sie deren Briefe an Karl Kraus.

Beides sollte ihrer Habilitation dienen, aber 1952 brachte sie ihre erste Tochter zur Welt: Undine Gruenter, an Schönheit und Talent der Mutter ebenbürtig, die wie sie Schriftstellerin wurde, aber leider viel zu jung gestorben ist. Nach der Geburt der zweiten Tochter aus der Ehe mit Joachim Gehlhoff setzte sie die wissenschaftliche Karriere, die sie in Köln als Assistentin am Deutschen Seminar schon begonnen hatte, nicht fort.
Das Dichten gibt sie keineswegs auf.

1962 erhält sie den Förderpreis zum Gerhart-Hauptmann-Preis, Berlin, für ihr Schauspiel "Didos Tod" – übrigens zugleich mit Rolf Hochhuth - ein Spiel mit Geschichte, Mythos, Figurenspaltung, das die männliche Verfügung über weibliche Biografie thematisiert, ohne wie etwa 20 Jahre später penetrant nach feministischer Gender-Manier zu verfahren. Erst 1998 ist es im Kölner Theater Am Bauturm als szenische Lesung aufgeführt worden.

1964 entschließt sich auch die Stadt Köln, der Dichterin, die bereits Lyrik, Übersetzungen und ein Drama vorgelegt hat, ihren Literaturförderpreis zuzusprechen.

1957 ist sie, der England, Frankreich, Italien, Amerika durch Reisen und Stipendien nicht fremd geblieben sind, an ihren Wunschort und ihr Herzensdomizil, an die Rheinallee in Düsseldorf gezogen. Lesungen haben vielerorts stattgefunden, auch in Köln, etwa im Belgischen Haus, in Kunstgalerien oder im Frauen-Treff der jüngst verstorbenen ehemaligen Bürgermeisterin von Köln, Gepa Maibaum.

Werke sind weiter entstanden, Ehrungen haben sich angeschlossen, sie ist den Rhein heruntergezogen, aber wir, Leser aus Köln, dürfen wir, IHR und uns gleichermaßen gratulierend sagen, dass das inspirative Strahlungszentrum vielleicht oder bestimmt dieses unser Kölner Ambiente war, was die junge Autorin zu dieser heutigen Dichterin entfaltet hat?