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Bernd Kortländer: Grabbe in Düsseldorf

Die Beziehung des Dichters Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) zur Stadt Düsseldorf beruht auf vielfachen Mißverständnissen. Zunächst unterlag sowohl Karl Immermann, als er Grabbe im Dezember 1834 nach Düsseldorf kommen ließ, als auch Grabbe selbst, als er Immermann darum bat, nach Düsseldorf kommen zu dürfen, einem solchen Mißverständnis. Immermann dachte an eine kurzfristige Hilfe, die Überbrückung einer Krise, und bot Grabbe deshalb - in Erwartung seiner baldigen Abreise - für den Übergang Abschreibearbeiten als Brotverdienst an. Grabbe wiederum versprach sich von der Verbindung mit einem der fortschrittlichsten Theaterleiter Deutschlands eine Art Hausautor-Status, zumindest aber den Zugang als Dramatiker zur Düsseldorfer Bühne. Außerdem erwartete er wohl, in Immermann einen offenen, sensiblen Künstler zu finden, der Verständnis für das Chaos seiner Existenz aufbringen würde, und fand doch einen preußischen Beamten, der mit Mühe darum rang, die äußeren Formen zu wahren und seinem eigenen chaotischen Leben zumindest nach außen den Schein von Ordnung zu geben.

Auch die Stadt selbst, in der Grabbe dann als Theaterkritiker und Dichter arbeitete - immerhin entstand in Düsseldorf sein Drama "Hannibal" - hatte er falsch eingeschätzt: Obwohl als Stadt der Kunst und als "Weimar am Rhein" gepriesen, war sie nicht in der Lage, einen Unglücklichen wie diesen Dichter zu ertragen. Immermann schrieb dazu im 2. Teil seiner "Memorabilien": "So war denn in unser elegantes, aristokratisches, gradliniges Düsseldorf Jemand eingeschwärzt worden, der wohl in allen diesen drei Beziehungen der guten Stadt für Contrebande gelten konnte." Es blieben ihm schließlich die Saufgelage mit dem befreundeten Musiker Norbert Burgmüller in den Kneipen am alten Düsseldorfer Kohlentor, eine verrückt-besoffene Korrespondenz mit dem Düsseldorfer Zeitungsherausgeber und Verleger Carl Georg Schreiner und schließlich im Mai 1836 die resignierte Abreise nach Detmold, mit der sicheren Aussicht, in die Unerträglichkeit zurückzukehren. Grabbe starb im September desselben Jahres "durch Selbsttrunk", wie Heinrich Heine schreibt.

Der Stadt Düsseldorf bleiben durch Grabbe einige ganz starke Momente von Provokation, von unbedingter Verachtung des Bürgerlichen, die Grabbe hier inszeniert hat. Die aufregendste Szene hat Immermann im Grabbe-Abschnitt der "Memorabilien" festgehalten. Sie zeigt uns Grabbe als einsamen, nackten Trinker auf dem Hotelzimmer, eine Art Charles Bukowski des 19. Jahrhunderts, der sich schließlich, ein "irrender Ritter der Poesie", dazu bewegen läßt, Immermann in eine Mietwohnung zu folgen, begleitet von den entgeisterten Blicken des Hotelpersonals und der Passanten.