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Enno Stahl: Ratinger Hof - Thomas Kling und die Düsseldorfer Punkszene

Nebst einem Interview mit Carmen Knoebel und Franz Bilemeier
Diese befremdlichen Empfindungen der ersten Besucher teilte ich übrigens – fünf Jahre später – schon gar nicht mehr. Die karge Punk-Ästhetik war 1982/1983 offensichtlich schon so sehr Allgemeingut geworden, republikweit verbreitet, weder mich noch sonst jemanden verwunderte oder irritierte das großartig. Die weitere Entwicklung des Lokals nach der Umgestaltung 1977 war denn auch in der Tat rasant gewesen, immer mehr Leute kamen, aus der gesamten Region, wo es eben solche Szeneorte wie den Ratinger Hof nicht gab. Zuerst die Punks, dann die sensationslüsterne Öffentlichkeit:


„Da kamen dann auch Touristen rein, die die Punks sehen wollten. Wenn wir getanzt haben auf der Tanzfläche, Pogo, dann hat sich so ein Kreis von Zuschauern gebildet, das war die Sensation, die haben nicht mitgetanzt, die hatten Angst, das sah schlimm aus, war’s aber nicht, du musstest ja nur hüpfen, dann passierte dir nichts. Aber die fanden das ein Spektaktel, und viele Leute kamen gestylt wie gemäßigte Schicki-Mickis, die kamen, um zuzugucken, um das zu sehen, dieses Feeling, dieses Punk-Feeling. Und die eigentlichen Leute, die sich da getroffen haben, als sich die Szene formierte, das waren Leute, von zehn Leuten haben neun komma fünf Leute selber Musik gemacht oder irgendwas. Es gab gar keine Zuschauer, man war Zuschauer, gleichzeitig Erzeuger, und Zuschauer beim anderen, es gab kaum mehr Zuschauer als Erzeuger von irgendwas.“


Das „Punk-Feeling“ hat Harry Rag, Sänger der Formation S.Y.P.H, sehr schön beschrieben:

„So fing der gewöhnliche Hof-Abend für mich so gegen 19.00 Uhr an, wenn er noch recht leer war und vereinzelt die Ersten auftauchten, alles war dann noch übersichtlich, man trank das 1. Bier und tauschte die letzten Infos über Singles, EPs, LPs, Konzerte, T-Shirts, Badges, Plattenläden, Fanzines, neue Band-Projekte, Songtexte oder Parolen aus. So wurde wöchentlich der In- und Outstatus für alles Mögliche erstellt.
Das ging so ein bis zwei Jahre gut. Eine meiner ältesten Erinnerungen war der, oder waren es zwei?, Fernseher, der über der Tanzfläche hing, in dem andauernd das normale Programm ablief, nur war der Ton abgestellt und wir tanzten zu voller Lautstärke zu den CLASH, RAMONES, BUZZCOCKS, WIRE, PISTOLS, ADVERTS, X-RAY-SPEX und vielen anderen.“

Das Ferment war eindeutig die Musik, nicht zuletzt deshalb, weil Carmen Knoebel nach einem New York-Aufenthalt im Mai 1977 entschieden hatte, dass nun unbedingt Live-Konzerte stattfinden sollten – z.B. mit all den Bands, die im Keller unter dem Ratinger Hof probten.

Die Szene wurde schnell deutschlandweit bekannt, besonders im Zusammenhang mit dem Hype der Neuen Deutschen Welle, viele der Bands kamen bei Major Lables unter und fuhren die Erfolgsschiene, manche wie Die Toten Hosen oder Fehlfarben existieren heute noch oder wieder. Carmen Knoebel indes zog sich bereits 1979 aus dem Ratinger Hof zurück, der frühere Kellner Manfred Heckhausen übernahm das Geschäft und führte es in der Folge in mehr ‚professioneller’ Manier.

Auch Franz Bielmeier blieb dem Ratinger Hof ab Anfang der 80er fern, für ihn war er zu einem „Konsensladen“  verkommen, New Wave, ein Stil, den auf einmal alle teilten. Der Ratinger Hof ein Szeneladen wie alle anderen, dieses – so Bielmeier – „typische Nachtleben- und Abschleppdings“.


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