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Ulrike Hollender:

Moritz Plaeschke, Krefelder Sohn seiner treudeutschen Zeit
Bedeutung besitzt Moritz Plaeschke heute allenfalls noch durch seine Beispielhaftigkeit als ein so typischer Vertreter der staatsloyalen Dichtung der Jahrhundertwende. Wer den literaturhistorischen Blick allzu sehr auf die so seltenen Exponenten der Avantgarde verengt, übersieht nur zu leicht, daß die Mehrheit der damaligen Dichter in künstlerischer und weltanschaulichem Einklang zu den Ideen ihrer Zeit standen.

Moritz Plaeschke, Sohn eines aus Schlesien stammenden rührselig-biedermeierlichen Landschafters und Genremalers, wurde am 29. Juli 1847 in Düsseldorf geboren, wo sein Vater trotz seines nur mäßigen Talentes zu den Mitbegründern der Künstervereinigung 'Malkasten' zählte. Nach Beendigung einer buchhändlerischen Ausbildung zog Plaeschke im September 1870 mit dem 39. Niederrheinischen Füsilier-Regiment in den Krieg gegen Frankreich - und damit in ein patriotisches Abenteuer, das ihm bis zu seinem Lebensende dichterischer Begleiter bleiben sollte. Der im Juni 1871 nach Düsseldorf heimgekehrte Plaeschke, nunmehr wieder Zivilist, verdingte sich für anderthalb Jahre im erlernten Beruf in Stettin, bevor sich 1873 die Möglichkeit bot, in der Krefelder Hochstraße eine eigene Buchhandlung zu übernehmen. Neben den Händler Plaeschke tritt nun zunehmend der Dichter Plaeschke - bis zu seinem Tode am 21. Januar 1914 erscheinen neben den verschiedenen epischen und dramatischen Versuchen seine lyrischen Produkte in immer neuen Auflagen.
Plaeschke gehört zum literarischen mainstream des Wilhelminismus, zum antimodernistischen Establishment, dessen Erlebnis- und Dichtungshorizont sich allein in dem Dreieck Naturverklärung, Feldzugserinnerung und Sozialismusverketzerung bewegt.

In den Gedichten Plaeschkes spuken viele Topoi des Schlesiers Eichendorff, eines Landsmannes seines Vaters. Im Zuge der Neoromantik wärmt Plaeschke nach 1890 die vorgestrigen Motive der Waldeseinsamkeit und des kühlen Grundes wieder auf und erfreut das Krefelder Bürgerherz mit demütig-keuschen Versen verliebter kerndeutscher Paare inmitten rheinischer Landschaftsbukolik. Es waren Zeiten, in denen eine lyrische Gleichzeitigkeit von Wiesengrundslied und martialischem Schlachtenlied niemanden unangenehm berührte, sondern geradezu als notwendig galt zur Herstellung einer dichterischen Einheit und künstlerischen Logik: man kämpft gegen Frankreich, gerade um das vergötterte deutsche Vaterland und seine lieblichen Landstriche deutsch zu erhalten. Sein "Kriegstagebuch in Liedern" (Düsseldorf 1871) ist eine einzige Apotheose der deutschen Marodeure in Frankreich, die sich anschicken, Mutter Germania den deutschen Rhein zurückzuerobern: "Den wälschen Buben wollen wir/ Die deutschen Schwerter zeigen!" Einzig die Keller der eroberten französischen Schlösser sind Plaeschke ein Lobeswort wert: "Wohl ist der Franz' ein leerer Wicht,/ Doch hat er prächt'ge Weine!"

Der freie Unternehmer Plaeschke fürchtet sich vor der wachsenden Macht der Arbeiterbewegung und der möglichen Einengung seiner buchhändlerischen Tätigkeit in Krefeld: ergo stellt er sein literarisches Schaffen in den Dienst der Reaktion und bietet in seinem Hauptwerk, dem Epos "Der Eisenkönig" (Crefeld 1890) einen klischeehaften Lobgesang auf den Typus des gütigen industriellen Hausvaters, der sich einer irregeleiteten, aufgehetzten, verblendeten und undankbaren Arbeiterschaft gegenbersieht. Bei Plaeschke darf der kapitalistische Essener Stahlbaron sich schließlich siegreich wähnen und in den Reichstag einziehen; das aufrührerische sozialdemokratische 'Gesindel', in ebenso grellen schwarz-weiß-Farben gezeichnet, ist geschlagen: "Sorgenvollen Herzens seh' ich/ Wiedrum die Bewegung wachsen,/ Welche Recht bedroht und Ordnung,/ Heimlich wühlt der Meister Maulwurf./ Da verspricht man goldne Berge,/ Und dem Rattenfängerliede/ Folgt die Menge nur zu willig."

In der dichterischen Welt des Moritz Plaeschke, kaisertreu und Bismarckselig, feierten die siegestrunkenen Helden noch begeistert den Sedanstag, während in der wirklichen Welt die soziale Frage immer lauter gestellt wurde und andere Antworten als jene Plaeschkes erwartet wurden, mit denen er, der Antimodernist, im Jahre 1901 entgeistert das neue Jahrhundert begrüßte: "Fin de siècle! - Schon versanks! -/ Nun fort mit aller Décadence!