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Wilhelm Schäfer. Eine kurze Biographie des rheinischen Schriftstellers

von Wolfgang Delseit

Wilhelm Schäfer wurde am 20. Januar 1868 in Ottrau (Hessen) geboren. Im Anschluss an den Besuch der evangelischen Volksschule in der Glashütten-Siedlung in Gerresheim, wohin die Familie 1871 gezogen war, und des Realgymnasiums in Düsseldorf, bereitete sich Schäfer seit 1883 an der Präparanden-Anstalt in Mettmann auf die Ausbildung als Volksschullehrer vor. Nach dem zweiten Examen arbeitete er 1890-97 als Lehrer in Vohwinkel, später in Elberfeld. Zu dieser Zeit unterhielt er freundschaftliche Beziehungen zum „Dichterfürsten“ Richard Dehmel (1863-1920) in Berlin, der erste Schriften förderte. Obwohl sein Drama „Jakob und Esau“ (1896) im März 1897 bei der Uraufführung bei der „Dramatischen Gesellschaft“ im Neuen Theater in Berlin durchfiel, verschaffte es Schäfer einen Vertrag mit dem Cotta-Verlag, der ihm Reisen nach Paris, Zürich und München ermöglichte.

Seit 1898 arbeitete er als Anzeigentexter in Berlin (zunächst beim Scherl-Verlag). 1900 zog er nach Düsseldorf um und wurde auf Vermittlung des Industriellen und Kunstmäzens Fritz Koegel (1860-1904), den er in Berlin kennengelernt hatte, Herausgeber der Kulturzeitschrift „Die Rheinlande, Monatsschrift für deutsche Art und Kunst“ (bis 1922) und 1904 Geschäftsführer des „Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein“ (bis 1922), somit zu einem der wichtigsten Vermittler von Kunst und Kultur in den Rheinlanden. In diese Zeit fiel auch seine Freundschaft mit Hermann Hesse, der 1904-16 Mitarbeiter der „Rheinlande“ war. Seit 1903 lebte Schäfer in Braubach, 1907-1915 in Vallendar, danach bis 1918 in Hofheim (Taunus) und schließlich auf der „Sommerhalde“ (oberhalb von Ludwigshafen; Gem. Bodman) am Bodensee.
Seine eigentliche literarische Form fand Schäfer in den für ihn typischen Kurzgeschichten nach dem Vorbild Kleists und im Stil Hebbels: Er veröffentlichte seit der Jahrhundertwende eine Reihe von Anekdotenbänden, in denen sich seine Vorstellungen von „Volkstum“ ebenso zeigten wie stilistisches Können und künstlerischer Formwille.

Mit den „Dreizehn Büchern der deutschen Seele“ (1922, erweiterte Ausgabe 1925; zahlreiche Neuauflagen) begründete er seinen Ruf als völkisch-nationaler Schriftsteller. Seine romantisierenden Mystifizierungen der „deutschen Volksseele“ fanden Anklang bei einer breiten Öffentlichkeit. Seine romanhafte Biographie des Wilhelm Voigt (Hauptmann von Köpenick, 1930, zahlreiche Auflagen) war neben Carl Zuckmayers Buch das bekannteste der „Köpenickiaden“.

1926 wurde Schäfer Mitglied der „Sektion Dichtkunst“ der Preußischen Akademie der Künste, aus der er 1931 mit Erwin Guido Kolbenheyer (1878-1962) und Emil Strauß (1866-1960) austrat, weil der Versuch einer Umgestaltung der Akademie entsprechend seiner völkisch-nationalen Vorstellungen scheiterte.

Im Mai 1933 kehrte Schäfer als „Ehrensenator“ in die „gesäuberte“ Deutsche Akademie der Dichtung zurück. Das Gesamtschaffen des mit allen bedeutenden deutschen Literaturpreisen der NS-Zeit bedachten, regimekonformen Autors – und damit auch seine heutige Rezeption – steht im Schatten seines von deutschem Sendungsbewusstsein getragenen, national-konservativen Denkens.
Ohne Mitglied der NSDAP gewesen zu sein, formulierte Schäfer Ziele der NS-Kulturpolitik mit, identifizierte sich teilweise mit der Ideologie und ließ sich zum „Aushängeschild“ (Bernd Kortländer) des Systems machen. Auch wenn Schäfer kein literarischer Parteigänger der NSDAP war, verhinderten vor allem seine ideologische Nähe und sein national-konservatives Wirken in der Akademie (Christophorus-Rede, 1935) eine Rezeption nach 1945.

Erst seit wenigen Jahren wird Schäfer – besonders im Rheinland und im Zusammenhang mit der Zeitschrift „Die Rheinlande“ – wieder in der Literaturgeschichtsschreibung wahrgenommen. Ehrungen und Auszeichnungen: – Dr. h. c. (Marburg 1927); Goethe-Medaille (1932) u. -Plakette d. Stadt Frankfurt (1943); Rheinischer Literaturpreis (1937), Goethe-Preis (1941), Immermann-Preis (1942), Ehrenbürger von Ottrau (1938) und Bodman (1948).

Wilhelm Schäfer starb am 19. 1. 1952 Überlingen/Bodensee.

Werke u. a.: Anekdoten IV, 1908; Rheinsagen, 1908; Dreiunddreißig Anekdoten, 1911; Rheinsagen IX, 1913; Anekdoten und Sagen, 1918; Lebensabriß, 1918; Erzählende Schriften, 4 Bde., 1918; Die begrabene Hand, 1920; Bilder aus der Goethezeit, 1922; Bilder aus dem deutschen Mittelalter, 1922; Der Niederrhein und das Bergische Land, 1923; Hölderlins Einkehr, 1925; Die deutsche Judenfrage, 1925; Huldreich Zwingli, Ein deutsche Volksbuch, 1926; Pestalozzi, 1927; Die Anekdoten, 1929; Goethes Geburtshaus, 1932; Die Frau von Stein und andere Erzählungen, 1932; Ausgewählte Anekdoten, 1933; Mein Leben, Rechenschaft 1934; Der deutsche Rückfall ins Mittelalter, 1934; Meine Eltern, 1937; Wendekreis neuer Anekdoten, 1937; Mein Lebenswerk, 1938; Aus der Zeit der Befreiungskriege, Anekdoten, 1940; Die Handschuhe des Grafen von Brockdorff-Rantzau und andere Anekdoten, 1941; Die silberne Hochzeit, 1942; Spätlese alter und neuer Anekdoten, 1942; Die Anekdoten, 1943; Krieg und Dichtung, 1943; Die Anekdoten, Ausgabe letzter Hand, 1957.

Bibliographien: C. Höfer, Wilhelm-Schäfer-Bibliographie, 2 Tle., 1937/43; Wilpert-Gühring. - Nachlass: Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf.


Literatur: O. Doderer (Hg.), Bekenntnis zu W. S., Zum 60. Geburtstag des Dichters am 20. Jan. 1928, 1928; M. Bosch, in: Literatur von nebenan, hg. v. B. Kortländer, 1995, S. 298-304; S. Brenner, „Das Rheinland aus d. Dornröschenschlaf wecken!“, Zum Profil der Kulturzeitschrift „Die Rheinlande“ (1900-1922), 2004; K. Glasow, „Im spitzen Winkel gegeneinander denken“; Der Briefwechsel zw. Hermann Hesse u. W. S., in: S. Brenner u. a. (Hg.), „Beiden Rheinufern angehörig“, Hermann Hesse u. d. Rheinland, 2002, S. 77-84; B. Kortländer (Hg.), W. S. (1868-1952), Eine Dokumentation zu Leben u. Werk, Ausstellung aus Anlaß des 40. Todestages von 19. September - 20.Oktober 1992 im Bürgerhaus der Gemeinde Ottrau, 1992; Ch. Zentner/F. Bedürftig, Das große Lexikon des Dritten Reichs, 1985; H. Weiß, Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, 1998; Nassauische Biographie; Frankfurter Biographie; Kosch, Literatur-Lexion3; Killy.