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Wolfgang Delseit (Köln): Franz M. Jansen (1885-1958)

Ein Porträt
Das Jahr 1912 brachte für ihn noch größere Erfolge und bildete die erste Stufe einer wachsenden Bekanntheit, denn vom 24. Mai bis zum 30. September fand in Köln eine bis dahin nie gesehene Schau moderner Kunst statt: die "3. Ausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler" (Ausstellungshalle am Aachener Tor). An dieser Mammutausstellung nahmen Künstler aus ganz Europa teil; allein 125 Gemälde stammten aus dem Nachlaß Vincent van Goghs (1853-1890), dessen Entdeckung ein Verdienst dieser Veranstaltung war. Des weiteren erhielt Jansen für seine künstlerische Gesamtleistung und sein Ölbild Am Rhein (Panorama von Köln mit Dom) im November 1912 die "Silberne Medaille" der Stadt Köln, die vom Kölner Verkehrs-Verein vergeben wurde, zuerkannt.

Jansens Aktivitäten blieben aber nicht auf das Rheinland beschränkt. Obwohl er noch keine Einzelausstellung vorzuweisen hatte, wurde er Mitglied der "Berliner Secession", die Jansens Bilder bis 1920 in all ihren Gruppenausstellungen zeigte. Jansen wandte sich auch der Buchillustration zu und fertigte Graphiken zu Gedichten von Walter Laué, der in Köln Kulturdezernent war. Im Dezember 1912 begann er den ersten seiner zahlreichen Holz- und Radier-Zyklen, der 1913 unter dem Titel Sechs Tage aus dem Leben eines Knaben im Selbstverlag veröffentlicht wurde.

Die Aufwertung des künstlerischen Ansehens zeigte sich spätestens auf der "2. Ausstellung der Kölner Secession" im Januar 1913, die der Kölnische Kunstverein im Wallraf-Richartz-Museum organisierte. Jansen stellte insgesamt 23 Gemälde, Zeichnungen und Drucke aus. Mit den Ausstellungserfolgen stellte sich auch der erste finanzielle Erfolg ein. Jansen leistete sich eine Reise nach Italien (März-Mai 1913), die ihn u.a. nach Venedig führte. Überwältigt von den Eindrücken entstand der Zyklus: Die schwarzen Gondeln - Phantasie über Venedig (10 Radierungen - 1913). Wieder in Deutschland, bot ihm der niederrheinische Maler Ernst Isselmann (1885-1916), der seit 1912 der "Kölner Secession" angehörte, an, mit ihm eine von dem Zahnarzt und Schriftsteller Josef Winckler (1881-1966) aus Moers in Auftrag gegebene Mappe mit Industriebildern zu gestalten.

Winckler hatte im Jahr zuvor die "Werkleute auf Haus Nyland" gegründet und wollte die Gemeinschaft aus Schriftstellern, Kunsthistorikern und Literaturinteressierten um bildende Künstler erweitern. Er hatte Isselmann für die Gestaltung einer graphischen Mappe zu seinen 1912 erstmals veröffentlichten Gedichten Eiserne Sonette gewonnen. Winckler stimmte der Zusammenarbeit zu und finanzierte beiden Künstlern den von Mai bis September dauernden Aufenthalt in einem Brückenturm der Ruhrort-Homberger Rheinbrücke sowie die Drucklegung der Graphiken. Die Mappe Industrie mit 10 Radierungen und Lithographien, die die erste graphische Fassung des Industriemotivs in Deutschland darstellt, wurde im Herbst 1913 veröffentlicht und war bereits innerhalb weniger Wochen vergriffen (70 Exemplare). Jansen wurde noch im selben Jahr Mitglied der "Werkleute auf Haus Nyland" und im folgenden Jahr zum Leiter der "Abteilung Graphik und Gewerbe" ernannt. Die Freundschaft zu Winckler sollte - trotz aller persönlichen Spannungen - bis zu seinem Tode andauern.

Bei den "Werkleuten" schloß Jansen in den kommenden Jahren viele weitere Freundschaften: Mit Jakob Kneip (1881-1958) und Carl Maria Weber (1890-1953), der 1919 zu den "Werkleuten" stieß, gewann er zwei enge Vertraute und mit Winckler und Richard Dehmel (1863-1920), den er 1913 auf Vermittlung Wincklers kennenlernte, zwei maßgebliche Förderer.

Im Juli 1912 nahm er neben Macke, Max Ernst (1891-1976), Heinrich Campendonk (1889-1957) und 12 anderen Künstlern an der von Macke organisierten Ausstellung "Rheinische Expressionisten" im Kunstsalon Friedrich Cohen in Bonn (Am Hof 30 - heute Buchhandlung Bouvier) teil, wo er drei Bilder, die von der Presse lobend erwähnt wurden, und einen Kompositionsentwurf zeigte. Max Ernst konstatierte als Kritiker des Bonner Volksmund:

Aus dem Rahmen der Ausstellung heraus fallen nur die Bilder von Franz M. Jansen (sein "Sommer" könnte direkt als Titelbild der "Jugend" fungieren).

Im August konnte Jansen seine erste Einzelausstellung in der Kunsthandlung Schames in Frankfurt a.M. eröffnen. Auch seine Beteiligung an Gründungen und Vereinen wuchs an, wie es überhaupt ein Kennzeichen des Expressionismus war, sich regional zu Künstlervereinigungen zusammenzuschließen, an deren Rand sich Sammlerumfelder etablierten und die durch öffentliche Institutionen wie Museen und Kunstvereine unterstützt wurden. Als sich die "Rheinische Künstlervereinigung, Sitz Köln" zum Jahreswechsel 1913/14 konstituierte, zählte Jansen ebenfalls zu den Mitbegründern. Im selben Jahr erfolgte auch sein Beitritt zum "Deutschen Künstlerbund", der den begehrten "Villa Romana-Preis" vergab und als eine Art berufsständische Organisation bewertet werden kann.
Künstlerisch verfestigten sich Jansens Neigungen zur Radierkunst und zur Landschaftsmalerei. Es entstanden u.a. die Zyklen Der eiserne Rhein (1913) - hier zeigt er sich allerdings noch der affirmativen Industrieverherrlichung verbunden - und Die Ernte mit 10 Radierungen (1919).

Im November 1913 begleitete Jansen Winckler nach Blankenese, wo mit großem Pomp der Geburtstag des Hamburger Dichterfürsten Richard Dehmel gefeiert wurde. Dehmel war von Jansens Ausstrahlung und von seinen Arbeiten so angetan, daß beide auf Initiative Wincklers mit der Illustration zu Dehmels Zwei Menschen begannen. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit überzeugte zwar Dehmel, nicht aber seinen Verleger Samuel Fischer, der die Veröffentlichung einer Vorzugsausgabe ablehnte, da sie sich niemand leisten könnte. Winckler, Dehmel und Jansen versuchten zwar noch, einen anderen Verlag für die Herausgabe zu gewinnen, aber sowohl verlagsrechtliche Bedenken als auch der Ausbruch des I. Weltkrieges ließen das Projekt scheitern. Die 25 Holzschnitte blieben unveröffentlicht.

Im Januar 1914 hatte Jansen seine erste Einzelausstellung in Köln, wo er im Wallraf-Richartz-Museum Aquarelle, Pastelle und Graphiken ausstellte, und er nahm an der "1. Ausstellung der Rheinischen Künstlervereinigung" im Kölnischen Kunstverein teil. Hier lernte er vermutlich auch Heinrich Stinnes (gest. 1932), der nicht aus der bekannten Industriellenfamilie stammte, kennen. Der Oberregierungsrat in Köln wurde zum Mäzen Jansens und kaufte im Laufe der Jahre einige hundert seiner Graphiken an.

Im Sommer 1914 fand in Köln die "Deutsche Werkbund-Ausstellung" statt, die im August mit der Mobilmachung und dem Kriegsausbruch ihren jähen Abschluß fand. Jansen zeigte hier nicht nur vier große Fresken und fünf Plakate sondern auch Entwürfe für die Mustereinrichtung "Cölner Haus".

Als ihn 1915 die Musterung zum Militärdienst erreichte, wurde er wegen Krankheit vom Kriegsdienst zurückgestellt und aufgrund seiner Bau- und Architekturkenntnisse als Ersatz-Reservist bis zum Kriegsende beim Militärbauamt in Koblenz verpflichtet. Trotz der Kriegslage und der Dienstverpflichtung blieb Jansen künstlerisch aktiv. Während der kommenden Jahre entstanden die Zyklen Ein Prophet (1921), ein 15 Radierungen umfassender phantastisch-sehnsüchtiger Traum von Reinheit, Glut, Versuchung, Versunkenheit, Kreuzigung, Krönung - Weltumarmung, Weltüberwindung, und Der Krieg (18 Holzschnitte nach Gedichten von Josef Winckler u.a.) sowie Holzschnitte zu Wincklers Kriegslyrik-Buch Ozean - Des Deutschen Volkes Meeresgesang (1917). Im Januar und Februar 1917 bestückte er im Wiesbadener Neuen Museum zwei Ausstellungen: Auf einer Gruppenausstellung rheinischer Künstler wurden die fünf Radierungen aus der Industrie-Mappe von 1913 gezeigt, und als Mitglied der "Münchener Secession" nahm er mit Holzschnitten, Radierungen und Gemälden an der "Albert Weisgerber-Gedächtnisausstellung" (1878-1915) teil, die auch dem verstorbenen Maler Ernst Isselmann eine "Nachlaß-Ausstellung" mit 37 Gemälden, 15 Zeichnungen, 8 Radierungen und 14 Lithographien widmete, welche von Jansen zusammengestellt worden waren.

Gegen den Widerstand ihrer Eltern heiratete er am 3. Februar 1917 die Malerin Mathilde ("Fifi") Kreutzer (1891-1977), Tochter des bekannten Bonner Professors Johannes Kreutzer (1858-1937). Jansen kannte und liebte Mathilde Kreutzer spätestens seit 1908 und signierte seitdem seine Bilder mit F. M.(=Mathilde) Jansen (die Ehe blieb kinderlos). Beide hatten sich über die konfessionell bedingten Einsprüche ihrer Eltern gegen die Ehe hinweggesetzt und waren kurz nach Kriegsende nach Winterscheid (Siegkreis) gezogen (1918). In diesen Jahren etablierte sich im nahegelegenen Felderhoferbrücke (heute Bröleck) ein Künstlerkreis um die Jansens. Im malerischen Bröltal trafen sich Dehmel, Winckler, Weber, Kneip, Otto Brües (1897-1967) und Carlo Mense (1886-1965) mit einheimischen Künstlern und verbrachten mehrere Monate im Gasthof Linke. Immer wieder mußte Jansen Zimmer reservieren lassen und Wanderungen für die "Städter" organisieren. Auch die "Werkleute auf Haus Nyland" trafen sich in Felderhoferbrücke, und das durch den Krieg reduzierte gemeinsame Arbeiten wurde wieder intensiviert. Jansen entwarf die beiden Titelblätter für die neue "Werkleute"-Zeitschrift Nyland, die im Herbst 1918 im Verlag Eugen Diederichs in Jena erschien.

Die Ernüchterung nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches wirkte auch bei Jansen: Wie viele Künstler seiner Generation wandte er sich in der Hoffnung auf eine bessere soziale Zukunft einem zeitbezogenen, engagierten Kunstschaffen zu. Angewidert von der Kriegspropaganda der deutschen Militärs, der gescheiterten Revolution und den gesellschaftlichen Umbrüchen in Deutschland, suchte er die Beschäftigung mit sozialkritischen Themen, vor allem in seinen Holzschnitten, die aus der ekstatischen Stimmung des Expressionismus ihre vitale Stoßkraft bezogen. Jansen machte nach 1918 eine rasche Entwicklung vom gefühlsbetonten Expressionismus zur radikalen Politisierung - nicht frei von idealistischem Pathos - innerhalb seiner Kunst durch, die 1920/21 zur stilistischen Wende - genauer zum Konstruktivismus - führte. Seine Absicht war das Aufrütteln seiner Mitmenschen, seine Kunst sollte betroffen machen und vom Erlebnis zur inneren Einkehr bewegen. Die Sache des Künstlers ist immer und immer Menschenumbildung, schrieb er 1919 in einem Beitrag für die Deutsche Demokratische Zeitung. Der sachlichen Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse folgte deren kompromißlose Bekämpfung im Sinne der AgitProp-Bewegung. Er nahm Kontakt zu den "Kölner Progressiven" um Conrad Felixmüller (1897-1977), Franz-Wilhelm Seiwert (1894-1933), Heinrich Hoerle (1895-1936) und Heinrich Vogler (1872-1942) und der "Novembergruppe" auf, was ihn zwangsläufig auch mit Franz Pfemfert (1879-1954) und der Zeitschrift Die Aktion in Verbindung brachte, in der von 1922 bis 1925 zahlreiche Holzschnitte von ihm gedruckt wurden.

Die Aktion war 1911 von Franz Pfemfert als Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur gegründet und 1912 im Untertitel in Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst umbenannt worden. Es war ihr "überlassen, festzustellen, daß der Kampf um eine neue Ästhetik untrennbar mit dem Kampf um eine neue Gesellschaft verbunden sei" (Arno J. Mayer). Pfemfert machte seine Zeitschrift ganz im Gegensatz zu Herwarth Waldens (1878-1941) Der Sturm zu einem Sprachrohr seiner sozialrevolutionären Anschauungen, die gegen den Nationalismus und Militarismus des wilhelminischen Deutschlands gerichtet waren, und behielt sie während des I. Weltkrieges bei. Zu den zahlreichen Mitarbeitern der Zeitschrift gehörten George Grosz (1893-1959), Mense, Felixmüller (seit 1917) und Wilhelm Tegtmeier (1895-1990?), wobei Jansen und Felixmüller einen sozialkritischen und nüchternen, wenn auch noch expressiven Realismus vertraten. Jansen entwickelte freundschaftliche Kontakte zu Felixmüller, Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) und Frans Masereel (1889-1972), die zur Folge hatten, daß sich verwandte Stilzüge im Werk Jansens nachweisen lassen. Seine sozialkritischen Graphiken tragen deutliche Züge der Techniken Masereels und Grosz´, in der die Farbe Schwarz dominiert und das Filigrane mit den grobschnittigen Strukturen im Wettstreit liegt.

Die plakativ vereinfachte Formgebung expressionistischer Provenienz zielt auf das soziale Mißverhältnis ihrer Zeit. Während Grosz´ Graphiken von bissiger Schärfe und analytischer Präzision erfüllt sind, Masereel in Bilderromanen seine idealistisch-romantischen Sehnsüchte auf Schwarz und Weiß bannte, blieben die Arbeiten Jansens eher volkstümlich, roh und fast moritatenhaft deutlich, ganz der Tradition altdeutscher Flugblätter verhaftet. Die Reduzierung der Situationsdarstellung auf soziale Typen (Schieber, Kriegsgewinnler) mit dem Ziel die Machtverhältnisse und ihre Auswirkungen, besonders innerhalb der unterpriviligierten Arbeiterklasse, zu verdeutlichen, fand aber bei seinen Freunden nicht immer Zustimmung. Otto Brües, später Feuilletonchef der Kölnischen Zeitung, stellte in seinen 1967 erschienenen Lebenserinnerungen -und immer sang die Lerche fest:

Als er feiste Honoratioren im Zylinder, specknackige Direktoren im Cutaway, flachstirnige Juristen mit Monokeln für den Holzschnitt fast zu Formeln abstrahierte, zu Formen ausgemergelter Fabrikarbeiter und ihrer hinsiechenden Frauen, alle nahe der Karikatur, Unterdrücker und Unterdrückte nach der Tabulatur des Klassenkampfes, war der Maler in dieser Künstlernatur ganz unterjocht. (S. 85)

Damit verstörte Jansen das zahlungsfähige Bürgertum in seiner Bereitschaft, Künstler wie ihn durch den Ankauf von Bildern zu fördern.
Neben der Holzschnittechnik, die Jansen anwandte, findet sich aber auch die Vertiefung seiner malerischen Techniken und Motive hin zum Monumentalismus in romantischen Rheinlandschaften. Während er mit seinen Holzschnitten im Stile des Verismus schonungslos gesellschaftliche Gegensätze anprangerte und Agitation betrieb, näherte er sich mit seinen Ölgemälden dem, was man damals wie heute "Neue Sachlichkeit" nennt und fand hier auch eine interessierte bürgerliche Käuferschicht. Die "Neue Sachlichkeit" war zu Beginn der "Moderne" eine Randerscheinung der Avantgarde und machte in der Mitte der 20er Jahre eine Wandlung zur gefällig-konservativen Kunstform durch, deren idyllisch-neusachliche Züge später in die staatlich verordnete Ästhetik der nationalsozialistischen Kulturdoktrin eingebaut wurden.

Die "Neue Sachlichkeit" war eine völlig unprogrammatische Kunstrichtung, der keine Theorie vorausging und zu der keinerlei Theorien entwickelt wurden. Sie ist gekennzeichnet durch allgemeine Bildelemente, den Ausdruck, der durch die Erfahrungen des Künstlers ohne individuelle Symbolik geleitet wurde, und den nüchtern registrierenden Stil des Ausdrucks (gemalte Fotographie). Auf der im Januar 1918 auf Initiative des Bonner Kunsthändlers Friedrich Cohen im Kölnischen Kunstverein durchgeführten Ausstellung "Das junge Rheinland" wurde das siebenteilige Freskobild Du sollst nicht töten gezeigt. Jansens Neigungen für monumentale Gemälde, die er in den 30er Jahren auslebte, haben hier ihren Anfang. Seine neusachlichen Landschaftsdarstellungen stehen in der Tradition der romantischen Landschaftsmalerei und fanden ihr Vorbild in Caspar David Friedrich (1774-1840). Jansen verkündete in seinen Gemälden und Bleistiftzeichnungen idyllische Vorstellungen ungebrochener Schönheit der Natur und seine Liebe zur heimatlichen Landschaft. Bei den großen Wandbildern dominiert der monumentale Mensch die Landschaft.

Als Folge der in Köln stattfindenden Ausstellung schloß sich am 24. Februar 1919 in Düsseldorf eine Künstlergruppe um Campendonk, Ernst und Adolf Uzarski (1894-1974) - um nur die wichtigsten zu nennen - zusammen und gründete die Vereinigung "Das junge Rheinland". Das Ziel war, den jungen rheinischen Künstlern den ihnen gebührenden Platz im deutschen Kunstschaffen zu erobern, wie es bereits 1918 in einem Aufruf hieß. Für eine Mitgliedschaft konnte man den Altmeister der modernen deutschen Malerei Christian Rohlfs (1849-1938) sowie Otto Dix (1891-1943) und den Düsseldorfer Kunsthändler Alfred Flechtheim (1878-1937) gewinnen. Die Auswirkungen, die diese Künstlergruppe auf die künstlerische "Moderne" hatte, sind nicht zu unterschätzen, zumal sie bis 1928 bestand. Auch wenn von ihren Initiativen nur weniges in der gesellschaftlichen Realität Bestand hatte, so wurde "Das junge Rheinland" zu einem Sammelbecken rheinländischer Künstler aus Köln (u.a. Jansen, Hoerle, Seiwert), Bonn (u.a. Macke, Mense) und Düsseldorf, dem sich auch Expressionisten vom Niederrhein (u.a. Rohlfs) anschlossen, wodurch die imaginären Grenzen zwischen den Städten - zumindest für kurze Zeit - durchlässig wurden. Der Gedanke, möglichst breite Künstler-Zusammenschlüsse zu gründen, fand seinen Höhepunkt im Zusammenschluß des "Jungen Rheinlands" mit der "Dresdner Secession" und der Berliner "Novembergruppe" zum "Kartell fortschrittlicher Künstlergruppen", den Gert Heinrich Wollheim (1894-1974) initiierte. Die erste Ausstellung des "Jungen Rheinlands", die im Juni/Juli 1919 in der Düsseldorfer Kunsthalle gezeigt wurde, konnte mit 113 Künstlern Breite und Vielfalt des rheinischen Kunstschaffens dokumentieren.

Bis in die Mitte der 20er Jahre stand aber bei Jansen noch das politische Engagement im Vordergrund seiner Arbeiten. Auf Veranlassung Dehmels reiste er nach Hamburg, um an den Holzschnitten zu Zwei Menschen weiterzuarbeiten. Trotz des überraschenden Todes von Dehmel, verlängerte Jansen seinen Aufenthalt bis August. In dieser Zeit entstanden zwei seiner wichtigsten Zyklen: Die Holzschnittmappe Die Großstadt (1921) hatte mit der 1913 von Otto Marto (i.e. Carlo Mense) im Auftrag der "Werkleute auf Haus Nyland" gefertigten Mappe einzig den Titel gemein. Die affirmative Technikbegeisterung war einer distanziert-kritischen Betrachtung gewichen. Jansen zeigte die Schattenseiten städtischen Lebens mit Verelendung, Prostitution, Gewalttätigkeit und menschlicher Entfremdung weitaus kritischer als etwa Masereel in seinem Holzschnittbuch Die Stadt (1925). Noch augenscheinlicher ist diese Distanz in dem Radier-Zyklus Industrie 1920, in dem Jansen atmosphärische Stimmungen in grauer Tristesse darbietet: Die Industrie war nicht mehr Herold für eine bessere Zukunft, sondern stand synonym für Schieberei, Spekulantentum und Ausbeutung.

 

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