„Im Allgemeinen und denkwürdig in historischer Beziehung“. Georg Arnold Jacobis Lebenszeugnisse, fortgesetzt und um eigene Erinnerungen ergänzt von Victor Friedrich Leopold Jacobi
Bearbeitet von Cornelia Ilbrig
Mit der vorliegenden Edition werden erstmalig die Aufzeichnungen von Georg Arnold Jacobi (1768-1845), dem Bergischen Staatsrat und Sohn des Schriftstellers und Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819), sowie die Fortsetzung dieser Lebenszeugnisse durch seinen Sohn Victor Jacobi (1809-1892) sowie dessen Lebenslauf vollständig zugänglich gemacht. Die Aufzeichnungen von Georg Arnold Jacobi habe ich nach der 1842 entstandenen Originalhandschrift ediert, das sich im Besitz des Goethe-Museums Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, befindet. Grundlage für die Edition der 1890 verfassten Fortsetzung der Lebensbeschreibung sowie Autobiographie von Victor Jacobi ist die Originalhandschrift aus dem Jacobi-Nachlass am Heinrich-Heine-Institut.
Die Texte habe ich in ihrer historischen Gestalt belassen und im editorischen Bericht im Anhang eine ausführliche Handschriftenbeschreibung gegeben. Das Nachwort hat kommentierende Funktion und gibt detaillierte und kontextuell eingebundene Erläuterungen zu allen im Text vorkommenden Ereignissen sowie Namen. Es ist untergliedert in die Abschnitte: 1. Jacobi-Clermontische Familiengeschichte (S. 183–190), 2. Friedrich Heinrich Jacobi und sein Kreis (S. 191–224), 3. Die Erziehung Georg Arnold Jacobis: Aufklärerische Bestrebungen Amalie von Gallitzins und Franz von Fürstenbergs (S. 225–258), 4. Georg Arnold Jacobis berufliche Laufbahn in Düsseldorf (S. 259–274), 5. Die Französische Revolution und die napoleonischen Eroberungskriege (S. 275–286), 6. Victor Friedrich Leopold Jacobi (S. 287–297). Dem Nachwort ist ein beschwertes Register S. 301–322) beigefügt, das kurze Informationen über Lebensdaten sowie teils über Berufe und Tätigkeiten der im Text vorkommenden Personen enthält.
Georg Arnold Jacobis Aufzeichnungen sind Lebenszeugnisse, die weit über den Charakter einer Autobiographie hinausgehen. Es handelt sich um ein einzigartiges Dokument der Zeit- und Wirtschaftsgeschichte Düsseldorfs und der Region sowie der überregionalen Kultur- und Geistesgeschichte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Deshalb lassen sich diese an Informationen zur Kultur- und Zeitgeschichte „Aufzeichnungen“ auch als „Memoiren“ charakterisieren. Im Nachwort habe ich insbesondere die Vernetzungsstrukturen herausgearbeitet, die ihren Ursprung in der öffentlichen Wirksamkeit der Jacobi-Familie haben. Nach einer einführenden Darstellung der Jacobi-Clermontischen Familiengeschichte stellt Georg Arnold Jacobi im ersten Drittel seiner Aufzeichnungen die Rolle seines Vaters als Literatur- und Kulturvermittler in den Mittelpunkt. Friedrich Heinrich Jacobi war der Hauptakteur und Gastgeber der „Pempelforter Geselligkeit“, eines losen Kreises von Dichtern und Philosophen, die bei Gelegenheit zusammenkamen, um aktuelle literarische, philosophische und religiöse Probleme zu diskutieren. Im Sommer 1780 machte er die Bekanntschaft mit der 1779 nach Münster zugereisten Adelheid Amalia von Gallitzin. Die Freundschaft zwischen beiden wurzelt in gemeinsamen kulturellen Interessen sowie einem ähnlich umfassenden, genuin aufklärerischen Bildungsprogramm, das in der Erziehung Georg Arnold Jacobis seinen Niederschlag findet.
Der Abschnitt 2 des Nachworts stellt auf der Grundlage von Georg Arnold Jacobis „Aufzeichnungen“ eine Rekonstruktion der engen Verbindungen zwischen dem Pempelforter Jacobi-Kreis um Friedrich Heinrich Jacobi und dem Münsteraner Kreis um Amalie Fürstin von Gallitzin und Franz Freiherr von Fürstenberg. Der Schwerpunkt meiner Darstellung in den Abschnitten 2 und 3 des Nachworts liegt auf der kulturhistorischen Bedeutung von Friedrich Heinrich Jacobi und Amalie von Gallitzin. Um diese nachzuvollziehen, zeige ich Verflechtungen auch mit anderen literarisch-kulturellen Kreisen auf, z.B. dem Halberstädter Kreis um „Vater Gleim“ (S. 191ff.), zu dem Friedrich Heinrich Jacobis Bruder Johann Georg Jacobi ebenso gehörte Wilhelm Heinse, beide zeitweise Hausgenossen in Pempelfort, weiterhin mit dem Literarischen Salon von Sophie La Roche in Ehrenbreitstein, wo Wieland und Goethe gern zu Gast waren (S. 202ff.), zum Weimarer Kreis um Goethe, Wieland und Herder (S. 194ff., 223f.), mit denen Jacobi zeitweise in enger freundschaftlicher Verbindung stand, sowie dem Göttinger Hainbund und dabei besonders dem Dichter Friedrich Leopold zu Stolberg (S. 207f., 210ff.), der nicht nur enge Kontakte zu Pempelfort unterhielt, sondern später ebenso zum Eutiner und Emkendorfer Kreis und um 1800 unter dem Einfluss Amalia von Gallitzins und Franz von Fürstenberg in Münster zum Katholizismus übertrat. Gemeinsame Freunde waren darüber hinaus Matthias Claudius (S. 226f.), Johann Georg Hamann und Thomas Wizenmann (S. 208ff.); Amalia von Gallitzin führt ihren Philosophenfreund und Mentor Hemsterhuys bei Jacobi ein (S. 209), während Jacobi in Münster bei Amalia von Gallitzin den Historiker, Juristen, Sturm- und- Drang-Autor und Begründer der „Literarischen Gesellschaft ohne Statuten“ Anton Mathias Sprickmann (S. 251, 255) kennenlernt.
Der dritte Abschnitt widmet sich den aufklärerischen Bestrebungen von Franz von Fürstenberg und Amalia von Gallitzin. Der Schwerpunkt hier liegt auf den pädagogischen Bestrebungen der beiden Münsteraner Aufklärer, besonders Fürstenbergs Bedeutung als Schulreformer (S. 230ff.) und Amalia von Gallitzins pädagogischer Praxis (S. 234ff.). Franz von Fürstenbergs Reformen waren in Münster und im Münsterland von großer Bedeutung und prägten sowohl die sozialen, wirtschaftlichen, politischen als auch kulturellen Strukturen der Stadt und der Umgebung nachhaltig.
Am Beispiel von Georg Arnold Jacobi, dem Sohn Friedrich Heinrich Jacobis, der zwischen 1780 und 1784 in Münster im Hause Gallitzin erzogen wurde, lässt sich das in der Aufklärungspädagogik ihrer Zeit verwurzelte, jedoch teils übererfüllte Erziehungsprogramm detailliert demonstrieren.
Ein Beleg für die vielfältigen Verbindungen zwischen der Düsseldorfer Jacobi-Familie und dem Gallitzin-Kreis ist nicht zuletzt, dass ein enger Hausfreund von Georg Arnold Jacobi, Fürst Franz Wilhelm Joseph Anton zu Salm-Reifferscheidt-Krautheim, mit Amalia von Gallitzins Tochter Marianne verheiratet war und mit ihr die oberen Räume des Hauses in der Bilker Straße 14 in Düsseldorf bewohnte, die heute zum Heinrich-Heine-Institut gehören (S. 289).
In Abschnitt 4 des Nachworts beleuchte ich die berufliche Laufbahn Georg Arnold Jacobis näher, auch im Zusammenhang mit der Stadtgeschichte Düsseldorfs besonders um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, den Verwaltungsreformen, der – von Georg Arnold Jacobi stark mitbestimmten – städtebaulichen Entwicklung, der französischen Regierung. Um die Zusammenhänge und Ereignisse der in den „Aufzeichnungen“ teils detailliert nachgezeichneten Revolutionskriege zu verdeutlichen, gebe ich im fünften Abschnitt einen Abriss über die Französische Revolution sowie die Feldzüge Napoleons in Europa.
Ein letztes Kapitel des Nachworts widmet sich dann dem Sohn Georg Arnold Jacobis, Victor Jacobi, außerordentlicher Professor der Landwirtschaft in Leipzig, der in Jena und Bonn studierte und sich in Leipzig habilitierte. Damit erschließe ich Bezüge der Jacobi-Familie zu weiteren wichtigen kulturellen Räumen Deutschlands, vor allem dem Raum Weimar-Jena, wo Victor Jacobi ihn prägende Bekanntschaften mit Persönlichkeiten von der Jenaer Universität, des Weimarer Hofs, und u.a. auch mit Goethe und seinem Kreis macht.
Im Anschluss an die Ausführungen lassen sich zwei verschiedene Modelle von autobiographischem Schreiben aus zwei Jahrhunderten feststellen: zum einen die tief im 18. Jahrhundert verwurzelte Autobiographie von Georg Arnold Jacobi, die für Tradition und Familiensinn, für Toleranz und humanistische Ideen, für Streben nach gesellschaftlicher Wirksamkeit und umfassender Bildung steht und eine wesentliche Informationsquelle zur Zeit-, Wirtschafts-, Kultur- und Bildungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts darstellt; zum anderen die Autobiographie von Victor Jacobi, die Lebensbeschreibung eines Einzelnen und Vereinzelten im 19. Jahrhundert – möglicherweise nur ein Dokument unter vielen für die Emanzipation, Verwissenschaftlichung und Ernüchterung in allen Teilen des Lebens?
Cornelia Ilbrig