RLA: Anlass der Veranstaltung am 14.11.2006 (siehe Infotheke oder www.duesseldorf.de/heineinstitut) ist die Ăbergabe Ihres journalistischen und literarischen Vorlasses an das Rheinische Literaturarchiv (RLA) im Heinrich-Heine-Institut. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert?
Stiehl: Motiviert hat mich der Wunsch, neben meinem dem Rheinischen Literaturarchiv bereits vermachten Vorlass zu den Montaigne-Ăbersetzungen auch meinen eigenen literarischen und journalistischen Texten ein Nachleben zu ermöglichen. Da ich mich ĂŒberzeugen konnte, dass die Betreuung des diesbezĂŒglichen Vorlasses bei Ihnen in guten, weil höchst sachkundigen und fleiĂigen HĂ€nden liegt, war mein Entschluss zur Schenkung natĂŒrlich schnell gefaĂt. Was könnte meinen Texten denn auch besseres passieren, als zuverlĂ€ssig aufbewahrt, verwaltet, erschlossen und fĂŒr wissenschaftliche und kulturelle Zwecke zugĂ€nglich gemacht zu werden!
RLA: Ihr derzeitiger Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Erstellung des Montaigne-Kommentars. Finden Sie ĂŒberdies noch Zeit fĂŒr Ihre eigene literarische Produktion?
Stiehl: Meine eigene literarische Produktion besteht seit vielen Monaten, wenn man die vorbereitenden Arbeit hinzunimmt seit Jahren in ebendieser Erstellung des Montaigne-Kommentars. Bei dem Werk handelt es sich um einen, so der Untertitel, âKommentarband anderer Artâ, um âWanderungen durch Montaignes Weltenâ nĂ€mlich, deren Auswahl und Darstellung Wesentliches auch ĂŒber mich sagen dĂŒrfte. Dass ich ein literarisches Leben nicht erst seit der Montaigne-Ăbersetzung fĂŒhre, zeigt ja der Vorlass, und ich hoffe natĂŒrlich, von den frĂŒheren Arbeiten, besonders den Gedichten spĂ€ter ein ĂŒberarbeitetes Kompendium vorlegen zu können. Bisher steht freilich nur dessen Titel fest: âNachlese, nachtsâ. DarĂŒber hinaus fallen mir in den Atempausen gelegentlich auch neue Texte ein, im oder ohne Zusammenhang mit Montaigne.
RLA: In Ihrem Arbeitszimmer haben Sie mannigfaltige Unterlagen zu Montaigne versammelt: Notizen, Ăbersetzungen, SekundĂ€rliteratur etc. Wie gehen Sie an den Kommentarband heran?
Stiehl: Im Grunde nicht viel anders als bei den Ăbersetzungen. Dort habe ich, um genauestmöglichen Nachvollzug des Montaigneschen Denk- und Darstellungsprozesses bemĂŒht, die entsprechenden Arbeiten einer Vielfalt von VorgĂ€ngern aus den letzten vierhundert Jahren miterwogen, weil jede Ăbersetzung, da immer auch Interpretation, zur Befestigung altbewĂ€hrter oder zur Eröffnung neuer Zugangswege ins Montaignesche Gebirgsmassiv beitrĂ€gt, und sei es nur indirekt: selbst wo eine in VerstĂ€ndnisfallen stĂŒrzt, ist sie den Nachfolgern als abschreckendes Beispiel dienlich. DemgegenĂŒber kommt jetzt natĂŒrlich meine umfangreiche Sammlung von SekundĂ€rliteratur stĂ€rker zum Zug; vor allem aber sind es meine Mitgliederschaften in der âMontaigne Studies Associationâ an der UniversitĂ€t Chicago, der Pariser âSociĂ©tĂ© Internationale des Amis de Montaigneâ, der âDeutschen Gesellschaft fĂŒr Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaftâ sowie mehreren ĂbersetzerverbĂ€nden, die es mir ermöglichen, durch die von ihnen herausgegebenen Periodika, ThemenbĂ€nde und sonstigen Publikationen die jeweils neuesten Erkenntnise der Montaigne-Forschung in meine âWanderungen durch Montaignes Weltenâ einzubeziehen. FĂŒr deren Darstellung folge ich meinem Horazschen Leitstern des âprodesse et delectareâ: dem Leser auf unterhaltsame Art nĂŒtzlich zu sein.
RLA: Was ist Ihr persönliches Lieblingszitat von Montaigne?
Stiehl: Da bringen Sie mich ganz schön in die Bredouille! Gönnen Sie mir bitte drei: âWenn der Geist zu hoch ausgreift, greift er danebenâ. Und: âJeder Mensch trĂ€gt die ganze Gestalt des Menschseins in sichâ. Und: âIch liebe das Leben und hege und pflege es so, wie Gott es uns zu geben gefallen hat.â