Die Kulturlandschaft des 20. Jahrhunderts blüht wieder auf – zumindest trägt Sabine Brenner ihren Teil dazu bei. In ihrer Dissertation hat sie erstmals die Entwicklung der Kulturzeitschrift "Die Rheinlande" systematisch erfasst. Wer mag da noch behaupten, dass Archivarbeit staubtrocken sein muss? Sabine Brenner jedenfalls tritt schlüssig den Gegenbeweis an. Was die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Heinrich-Heine-Instituts aus dem Nachlass von Wilhelm Schäfer zu Tage förderte, ist kein Staub, sondern die Erkenntnis, dass das Eintauchen in die Vergangenheit genauso spannend wie aktuell sein kann - aber auch arbeitsintensiv. 16 000 Beiträge und 22 Jahrgänge der Düsseldorfer Kulturzeitschrift "Die Rheinlande" (1900-1922) hat die Germanistin durchforstet und dokumentiert. Was dabei herauskam? Eine Dissertation, die zum ersten Mal die Geschichte des Mediums konsequent nachzeichnet und zu dem Schluss führt, dass das heute fast vergessene Fachorgan ein kleines, aber feines "Kaleidoskop der Kulturlandschaft im Rheinland war". Zu den eifrigsten "Landschaftspflegern" gehörte Hermann Hesse. Mit seinen 53 Beiträgen hätte der Schriftsteller, den seine Freundschaft zum Herausgeber Wilhelm Schäfer an das Kulturleben im Rheinland band, eine Auszeichnung als meistgedruckter Autor verdient gehabt. Aber auch Robert Walser und Walter Hasenclever waren überzeugte Wiederholungstäter. Den Zeitgenossen ging es freilich nicht um Quantität, vielmehr um eine regionale Identität. Schließlich war die Zeitschrift das zentrale Publikationsorgan einer Sammelbewegung. "Man wollte einen Schwerpunkt gegen die Berliner Szene, gegen die Anonymität der Großstadt setzen", so Brenner. Oder, um mit Hesse zu sprechen, ein "Gegengewicht gegen das leidige Berlinertum" etablieren. In den liebevoll mit Buchschmuck verzierten Ausgaben wurden neben literarischen Appetizern Bilder, Notenbeilagen und Rezensionen abgedruckt. Ein weites Feld, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn so unterschiedlich die Themen und Strömungen der 1500 Beiträger auch waren – verstaubt sind ihre (kultur-)politischen Ansichten nicht, sondern höchst aktuell, wie Brenner betont. Transportiert wurde keine verengte, sondern eine europäische Perspektive. Einbezogen wurden daher Regionen im Elsass, in der Schweiz und den Niederlanden. "Der Fluss wurde von der Quelle bis zur Mündung gesehen", erklärt Brenner. Kritisch zeichnet sie das Profil der Zeitschrift nach – von der Aufbruchsstimmung vor dem Ersten Weltkrieg bis zum Absinken in nationalistisch-revanchistische Tendenzen, die neben finanziellen Gründen dazu führten, dass "Die Rheinlande" 1922 eingestellt wurde.
Sabine Brenner: "Das Rheinland aus dem Dornröschenschlaf wecken!" Zum Profil der Kulturzeitschrift "Die Rheinlande" (1900-1922), Grupello, 288 Seiten, 19,80 Euro.