In seinen “literarischen Erkundungen” durchpflügt Walter Gödden das Feld der westfälischen Literatur – und zwar „querbeet“. Er kennt es gut, denn als Geschäftsführer der „Literaturkommission für Westfalen“ und Redakteur des „Westfalenspiegel“ bestellt er es seit Jahren. Wer sich für die Literatur Westfalens interessiert, findet in Gödden einen kompetenten, vielleicht den besten Gesprächspartner. Deshalb ist dieses Buch mehr als eine Feldforschung.
In seinem Sammelband erzählt Gödden anekdotenreich Literaturgeschichte von vorgestern, gestern und heute.
Seine Protagonisten sind „westfälische“ Autoren, also solche, die mit Westfalen durch Geburt oder Lebenszeit verbunden sind. Nicht gemeint sind die thematisch Heimattümelnden, die – besonders in der Nazizeit – Kunst mit Herkunft verwechselten. Gödden gräbt sich vielmehr durch die Texte illustrer und weniger bekannter Westfalenschreiber. Und dabei, im Durchstreifen vieler Genres und Epochen, kommt einiges zu Tage: Der Sturm-und-Drang-Dramatiker Christian Dietrich Grabbe etwa und der Gruppe 47-Autor Paul Schallück; Annette von Droste-Hülshoff natürlich und der Expressionist August Stramm; der Dadaist Richard Huelsenbeck und Hans-Ulrich Treichel, ein Romancier unserer Tage. Was Gödden auf seinen literarischen Streifzügen aufliest und aufschreibt, sind Lebensgeschichten, Robinsonaden von der Literaturinsel Westfalen.
Vielleicht ziert darum das Meer Cover und Rückseite des Buches: Die bedruckten Seiten erscheinen so als Insel, die westfälischen Autoren als Robinsons, die mit ihrem Eiland hadern. Wie erwähnter Grabbe, der in Detmold zur Welt kam, als Dramatiker lange verkannt wurde und letztlich an der Provinzialität seiner Heimatstadt zu Grunde ging. Heinrich Heine nannte ihn einen „betrunkenen Shakespeare“. Oder Elisabeth Hauptmann, „rechte Hand“ Bertolt Brechts und gebürtige Ostwestfälin, über die Gödden schreibt: „Ihr wurde nie die Anerkennung zuteil, die sie verdient.“ Göddens Verdienst ist nicht nur die Erinnerung an diese Außenseiter der Literatur. Seine biographischen Essays machen glücklicherweise auch nicht vor scheinbar „trivialen“ Büchern halt – so sie denn von Westfalen geschrieben sind. So porträtiert ein Kapitel den Münster-Krimi-Schreiber Jürgen Kehrer, ein anderes das Kinderbuch „Der Hund mit dem gelben Herzen“ von Jutta Richter.
Spannend an diesen 62 Miniaturen, die übrigens fast alle schon einmal im „Westfalenspiegel“ zu lesen waren, ist, dass sie Westfalen als kreativen Landstrich zeigen. „Die westfälischen Autoren schreiben individualistisch, einzelgängerisch“, schreibt Gödden im Nachwort. „Umso mehr gilt es, auf ihre Singularität hinzuweisen: auf schriftstellerisches Potential, das oft im Verborgenen schlummert.“ Abseits vom germanistischen Elfenbeinturm bietet „Querbeet“ eine gut lesbare Landkarte für die in weiten Teilen immer noch unerforschte Literaturlandschaft Westfalens. Zudem macht der Band Lust auf weitere Streifzüge im Verborgenen. Auf in die terra incognita.
Walter Gödden: Querbeet. 62 literarische Erkundungen in Westfalen.
Nyland / Ardey 2004.327 S. ISBN 3-87023-307-9