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Wilfried Reininghaus: Zukunft für die Vergangenheit. Archive als „Gedächtnis der Menschheit“.

Eröffnungsvortrag zum Tag der Archive, gehalten in der Kunstsammlung NRW „K 20“, Düsseldorf, 5.5.2006

Langzeitarchivierung als gesellschaftliche Verantwortung. Digitalisierungskonzepte

Die gemeinsame Plattform, auf der sich die Gedächtnisinstitutionen treffen, um Lösungen für die Sicherung der Überlieferung der Gegenwart zu finden, heißt „Langzeitarchivierung“ digitaler Unterlagen. Intensiv wird derzeit weltweit, aber auch in Deutschland an Verfahren und Methoden gearbeitet, um den kurzen Innovationszyklen der Technik entgegenzuwirken. Ich will Sie mit Einzelheiten der Strategien, mit Emulation und Migration verschonen, vielmehr darauf pochen, wie wichtig es ist, Langzeitarchivierung als eine gesellschaftliche Aufgabe ernstzunehmen, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass wir nicht dem kollektiven Gedächtnisverlust entgegensteuern. Langzeitarchivierung muß zugleich Teil einer nationalen Digitalisierungskampagne werden. Sie alle haben im letzten Sommer mitbekommen, wie heftig Europa, voran die Französische Nationalbibliothek, darauf reagierte, dass „Google“ ganze Bibliotheksbestände ins Netz stellen wollte. Inzwischen hat sich die Panik gelegt und es wird besonnener reagiert. Wir tun gut daran, die Gesamtheit dessen zu betrachten, was zur Übernahme ansteht und dann auszuwählen, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, welche Aufgaben im digitalen Zeitalter auf die Gedächtnisinstitutionen bei der Sicherung von Kulturgut zukommen.

Erstens müssen wir das bereits digital Entstandene übernehmen und langfristig verfügbar halten. Zweitens möchte natürlich eine Gesellschaft, die es gewohnt ist, aktuelle Informationen in Bruchteilen von Sekunden geliefert zu bekommen, auch Älteres, nicht digital vorliegendes ohne großen Zeitverzug zu erhalten. Hier müssen wir gegenhalten und sagen, dass es in einer vorhersehbaren mittelfristigen Zukunft noch nicht möglich ist, alles zu digitalisieren und zur Verfügung zu stellen, was je an Kulturgut produziert worden ist. Sowohl die Kapazitäten wie auch technische Performanz reichen selbst bei weiterem Ausbau der Infrastruktur dafür (noch) nicht aus. Außerdem bedarf es bei der Ablage der Digitalisate, bei der Suche danach und bei ihrer Zurverfügungstellung ebenso einer Infrastruktur wie bei analogen Systemen.

Wir sind im Moment noch weit von Datensicherheit auf diesem Gebiet entfernt. Aus diesen Gegebenheiten haben die Archive für ihren Bereich drittens eine wichtige Schlussfolgerung gezogen. Wichtiger als die Digitalisierung ihrer Bestände ist die Digitalisierung der Findmittel. Diese liegen in Schreibmaschinen- oder Handschrift, in Karteikarten oder in Büchern vor, sind aber nur im Lesesaal einzusehen. Wer Urkunden und Akten einsehen will, muß in den Lesesaal kommen und kann das Archivgut erst dann zur persönlichen Benutzung bestellen, weil die Bestellsignaturen nur in den Findmitteln stehen. Wenn nun alle Findmittel im Netz wären, können Benutzer schon von zu Hause Bestellungen aufgeben und Zeit sparen. Im Stadtarchiv Düsseldorf, einem Pionier in Volldigitalisierung der Findmittel, ist dieser Zustand schon jetzt erreicht.

Erhaltung des nicht-digitales Archivguts

Aus Sicht der Archive will ich ein viertes „ceterum censeo“ zur Digitalisierungsdebatte setzen. Vor lauter Digitalisaten darf nicht vergessen werden, dass analoges Material zerfällt. Wir haben es zum einen mit den mechanischen Schäden an Akten und Urkunden zu tun, die ihrer frühen Entstehungsgeschichte geschuldet sind, wobei weniger das Pergament als vielmehr das Papier als Beschreibstoff stark gefährdet ist. Um es anschaulich zu machen: die von Mäusen und Ratten benagten Akten der frühneuzeitlichen Landesherrschaft müssen restauriert, die verrußten Akten von Bergämtern und die vom Schimmel befallenen Akten aus feuchten Kellern von Gerichten und Behörden zur Benutzung aufbereitet werden. Brüchige mittelalterliche Siegel müssen ebenso behandelt werden wie der Tintenfraß in Schriften des 18. Jahrhunderts. Das holzschliffhaltige Papier, das zwischen 1840 und 1950 verwendet wurde, vergilbt und zerbröselt langsam wegen der enthaltenen Säurereste.

Ich bin der nordrhein-westfälischen Landesregierung sehr dankbar, dass sie sich der Probleme der Bestandserhaltung annimmt und ernst nimmt und in doppelter Weise für Abhilfe gesorgt hat. Als Antwort auf den niederschmetternden Befund von 340 Personenjahren Rückstand in der Bestandserhaltung ist zu Beginn dieses Jahres in seinem Technischen Zentrum in Münster die zentrale Restaurierungswerkstatt für die staatlichen Archive in Nordrhein-Westfalen eingerichtet worden. Mit modernster Technik und mit arbeitsteiligen, rationellen Verfahren kann hier ein Mengendurchsatz erzielt, der die baldige Behebung der dringendsten Schäden als nicht utopisch erscheinen lässt. Die Werkstatt Münster wird nicht die Restaurierung der säurehaltigen Papiere übernehmen, die in den Jahrzehnten nach 1840 entstanden sind. Hierzu sind besondere Maschinen erforderlich, die im Zentrum für Massenentsäuerung in Brauweiler stehen. Die Landesregierung beabsichtigt, für diesen Zweig der Bestandserhaltung ein eigenes Programm mit erheblichen finanziellen Mitteln aufzulegen, um hier vor allem im Bereich der nicht-staatlichen Archive wirksam zu werden und damit eine aktive Sicherung des kulturellen Erbes zu betreiben. Zu Recht hat es Staatssekretär Grosse-Brockhoff bei der Eröffnung des Technischen Zentrum einen Skandal genannt, wenn zugesehen wird, dass das Archivgut als Kulturgut zerfällt, die Werkzeuge und Methoden, den Zerfall zu stoppen, vorhanden sind und dennoch nichts unternommen wird.

Wenn die Archive in die Sicherung des kulturellen Erbes einbezogen werden, dann geschieht dies nicht zum Selbstzweck. Archivgut muß benutzbar sein und bleiben. Hinter dieser beinahe banalen Forderung steht die ernsthafte Sorge, dass auch analoges Archivgut endlich sein kann, so dass, so paradox es klingen mag, zur Erhaltung der Bestände gehört ihr Schutz vor Benutzern gehört. Machen wir uns nichts vor: Jedes In-die-Hand-nehmen von Urkunden und Akten bedeutet eine Gefährdung und eine eingeschränkte oder verhinderte Benutzung in kommenden Generationen. Gleichzeitig wollen und müssen heute wir den Zugang zum Archivgut ermöglichen, fördern, wenn es geht, vermehren. Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus? Die Antwort des Landesarchivs ist die Schutz-Digitalisierung von Beständen, die aufsetzt auf die begleitende Restaurierung aufgrund der Prioritäten im Schadenskataster. Die Digitalisierung soll zunächst einmal der Benutzung im Lesesaal dienen, sie verbaut aber durch die Wahl geeigneter Formate kein späteres Ins-Netz-Stellen von Beständen, wenn all die Frage der Perfomanz großer Mengen gelöst sind, die ich vorhin angesprochen habe.

Die Öffnung der Archive seit 1789

Die Präsenz in der Öffentlichkeit einer digitalen Welt, ob durch onlinefähige Findmittel oder perspektivisch durch digitalisiertes Archivgut, gehört mittlerweile zu den Standardaufgaben von Archiven im frühen 21. Jahrhundert. Die Wege und Mittel der Öffentlichkeitsarbeit haben damit endgültig den Stellenwert der Archive verändert. Welchen Weg sie zurückgelegt haben, kann am leichtesten feststellen, wenn wir uns ihre eigene Geschichte anschauen. Die Archive der Vorzeit, des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren Instrumente der Herrschaft. Urkunden und Akten sollten durch ihre Beweiskraft Herrschaft sichern. In Zeiten politischer Umwälzungen haben deshalb Revolutionäre die Archive gestürmt, so geschehen in der Französischen Revolution 1789, in der Märzrevolution 1849/49 und in der Wendezeit in der DDR 1989/90 auch in Deutschland. Die ehemalige Abschließung der Archive als Sekretkammern vor ungewollten Benutzern war nur konsequent.

Als der preußische Staat in den Westprovinzen nach 1815 daran ging, Staatsarchive einzurichten, dienten diese zunächst einmal den Interessen des Staates. Seine Ansprüche auf das säkularisierte Kirchen- und Klostergut und anderes sollte abgesichert werden. Ganz langsam begann die Öffnung, zunächst für die Forschung zu mittelalterlichen Themen bis 1500. Zu Themen der jüngeren Geschichte erhielt man erst während des 20. Jahrhunderts unter Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen Benutzungserlaubnis. Es bildete sich auch nur allmählich ein Selbstverständnis der Archive heraus, dass sie Dienstleister lebender Behörden sind. Was interessierten schon die Aktenmassen der aktuellen Verwaltung, wenn alternativ die auswertende Beschäftigung mit den Urkunden der Kaiser und Könige des Mittelalters anstand. Aber diese Phase haben die modernen Archive längst hinter sich gelassen.

Sie verstehen sich als Teil einer Kette, die von den Verwaltungen bis zu ihren Benutzern reicht, und sie gehen proaktiv in die Öffentlichkeit durch kleine oder grössere Ausstellungen. Zweifellos werden sie, gerade an Standort bedeutender, größerer Museen nicht mit diesen konkurrieren können. Archive werden wohl kaum Teil von Eventkultur werden, schon aus konservatorischen Gründen. Aber durch Ausstellungen wie bei Gelegenheit des Tags des Archive oder aus geschichtsträchtigen Anlässen wie der 150. Wiederkehr des Revolutionsjahres 1848/49 und dem 60. Jahrestag der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen im Oktober diesen Jahres wird verwiesen auf Highlights aus den eigenen Beständen, gewissermaßen ein Schnupperangebot, um sich tiefer und eingehender mit der eigenen Geschichte, der Geschichte seines Ortes oder seiner Familie zu beschäftigen.

Vom Staat zur Gesellschaft: Archive im Wandel

In der bald 200jährigen Archivgeschichte unseres Landes haben die Archive aber noch eine andere Kehrtwendung vollzogen. Ich will diese Richtung bezeichnen als: weg vom Staat und hin zur Gesellschaft. Dies drückt sich in zwei Trends aus. Erstens: Die Palette der eingerichteten Archive hat sich erweitert. Lange waren im 19. Jahrhundert die staatlichen Archivare die einzigen ihrer Profession. Zuerst kamen dann die Stadtarchive hinzu, heute umfasst der Berufsdachverband VdA weitere sechs Archivsparten, die Archive der Kirchen, der Universitäten, der Wirtschaft, des Adels, der Medien und der politischen Parteien. Zweitens: die staatliche Überlieferung allein reicht nicht mehr aus, um die Vielfalt der Gesellschaft und der Kultur wiederzugeben. Lassen Sie mich das am Beispiel der Wirtschaft und ihrer Unternehmen darstellen. Ein Unternehmen taucht in staatlichen Akten vielfach auf: in Akten des Finanzamtes, der Gewerbeförderung, bei Prozessen usw. Es wird in den Akten des Landesarchivs immer bei der Sehweise des Staates oder dabei bleiben, wie sich das Unternehmen gegenüber dem Staat präsentiert. Wie es um die innere Geschichte des Unternehmens bestellt ist, kann am besten, wenngleich ebenfalls nicht unkritisch gegenüber den Quellen in den Unterlagen des Unternehmensarchivs rekonstruiert werden.

Ergänzungsüberlieferung

Die Aufgabe der ausschließlichen Staatsorientiertheit und die Öffnung zur Gesellschaft hat die Arbeit der Archive zwar spannender und bunter gemacht, ihren Dokumentationsauftrag aber nicht eben leichter. Für Staat, Kommunen und alle anderen Träger öffentlicher Belange gilt das Landesarchivgesetz und die Pflicht, das eigene Schriftgut Archiven anzubieten. Für Privatpersonen, -unternehmen und private Einrichtungen gilt diese Pflicht nicht. Wenn aber nun die Erkenntnis richtig, dass der Staat nicht von oben herab das Geschehen diktiert, sondern eine lebendige Gesellschaft mündiger Staatsbürger in unserem Gemeinwesen Entwicklungen anstößt, beschleunigt, stoppt oder verhindert, wie schlägt sich das dann nieder in Beständen der Archive? Gehen wir zurück in das Jahr 1848/49. Wir können aus Petitionen und Aktionen der bürgerlichen Vereine damals (und auch heute) der Argumentation gegenüber dem Staat nachvollziehen, doch was im Inneren der Vereine geschah, welche Diskussionen im Vorstand der Petition des Vereins vorausgingen, wissen wir im Regelfall nicht.

Schon in den 1950er und 1960er Jahren haben die Archive eine Antwort auf diesen Bedarf an ergänzender Überlieferung gefunden. Sie haben sich verstärkt um solche – wir sagen – Bestandsbildner gekümmert, die nicht verpflichtet sind, an öffentliche Archive abzugeben und die keine eigenen Archive besaßen. Zum einen sind eigene, fachspezifische Archive entstanden, z. B. Wirtschaftsarchive und Parteiarchive. Zum anderen haben sich sowohl die staatlichen als auch die städtischen Archive um diese, im einzelnen sehr aussagefähigen Bestände von Privaten gekümmert. Sie haben persönliche Nachlässe, Unternehmens-, Partei-, Verbands- und Vereinsarchive als Deposita oder in anderer Rechtsform in ihre Häuser geholt, um so das staatliche oder städtische Archivgut zu ergänzen.

Sport als archivisches Thema

Sportvereine waren bisher sehr selten Gegenstand von Bemühungen um Ergänzungsüberlieferung, obwohl mittlerweile zweierlei klar ist: Der Sport ist ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und die traditionelle Überlieferung des Staats- und Stadtarchive nicht ausreicht, diesen Sachverhalt angemessen zu dokumentieren. Wir können auf Akten der Verwaltungen zur Sportförderung, zum Bau von Stadien oder Schwimmbädern zurückgreifen, aber mehr auch nicht. Die Tabellen und Ergebnisse der Vereine sind dort allenfalls sekundär über Zeitungen erhalten, die Individualsportarten, die man nicht unbedingt im Verein ausüben muß, fehlen sowieso und sind mit klassischem Archivgut nur schwer zu fassen. Ich will hier keine Quellenkunde der Geschichte des Sports thematisieren, wohl aber darauf hinweisen, dass ein solches Unterfangen unter dem Motto „Der Ball ist rund“ Sinn macht, weil – und dies ist der zweite Aspekt in diesem Zusammenhang – die geschichtswissenschaftliche Forschung das Thema Sport und seine Geschichte entdeckt hat und von den Archiven erwartet, beraten und mit Materialien versorgt zu werden. Ich greife mehrere Themen auf, deren Bedeutung sofort klar wird, da sie auch für Düsseldorf relevant sind.

Die Sportgeschichte und ihre Quellen

Turner und Turnvereine haben im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle als Wegbereiter des Nationalstaats gehabt, sie waren Aktivisten in der 1848er Revolution und standen lange unter politischer Aufsicht. Wir finden etwas über sie in Akten der politischen Polizei, denn sie waren lange verfolgt und standen immer wieder unter Verdacht, Unruhe zu stiften.
Die Durchsetzung der modernen, von England kommenden Sportarten begleitete seit den 1880er Jahren die gesellschaftliche Entwicklung des Kaiserreichs, wie wir aus den Arbeiten von Christiane Eisenberg wissen. Fußball war kein Sport der Unterschichten, sondern des gehobenen Bürgertums. Ein Massensport wurde Fußball nicht nur im Rheinland und in Westfalen erst in der Weimarer Zeit und vor allem in der NS-Ära. Das macht diesen Zeitraum so wichtig, auch für die Sozialgeschichte dieser Jahre. Der Deutsche Fußball-Bund musste – wie im übrigen manche anderen – ziemlich heftig daran erinnert werden, dass er sich einer Aufarbeitung seiner Rolle in der NS-Zeit nicht länger widersetzen kann. Auf dem Aachener Historikertag im Jahr 2000 gab es eigens eine Sektion über „Fußball im 20. Jahrhundert“, zu dessen Eröffnung der DFB sich bereit erklärte, nunmehr einer solchen Forschung nicht zu widersetzen. Mittlerweile liegt das vom DFB unterstützte Buch von Nils Havemann vor. Um ein letztes Beispiel zu nennen: Das „Wunder von Bern“, der 3:2-Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 über Ungarn, wird mittlerweile als zweiter Gründungsakt der Bundesrepublik verstanden. Der Film von Sönke Wortmann und sein Erfolg beweisen das, aber auch eine Fülle von historischen und kulturhistorischen Publikationen, gerade im Vorfeld der diesjährigen Weltmeisterschaft.

Der Düsseldorfer Sport

Stillschweigend bin ich zum Düsseldorfer Sport übergewechselt. Die Experten wissen es bereits längst: In der deutschen Nationalmannschaft stand zwischen 1932 und 1942 und zwar lange als Spielführer Paul Janes von Fortuna Düsseldorf. Mit 71 Länderspielen war er Rekordnationalspieler, bevor ihn erst mit seinem letzten Länderspiel Uwe Seeler 1972 ablöste. Zu Recht hat die Fortuna, der Deutsche Meister des Jahres 1933, ihr Stadion am Flingerbroich nach Paul Janes benannt. Und wer stand im Tor 1954? Natürlich Toni Turek von der Fortuna, dem „Fußball-Gott“ aus Herbert Zimmermanns berühmter Radio-Reportage. Janes und Turek sind mittlerweile Personen der Zeitgeschichte, über die wir gerne mehr wüssten und wozu wir ihre Nachlässe bräuchten. Wo sind sie abgeblieben? Ich könnte jetzt noch vieles über die Fortuna und ihre Rolle in der Düsseldorfer Stadtgeschichte bemerken, aber will den Blick auf andere Sportarten werfen. Vergessen wir nicht die DEG, die nicht nur wegen der soeben errungenen Deutsche Vizemeisterschaft im Eishockey genauso ein Werbe- und Sympathieträger für Düsseldorf ist wie die Fortuna. Oder denken wir an Wilhelm Bungert vom Rochusclub Düsseldorf, der 1967 als erster Deutscher nach dem Kriege im Finale von Wimbledon stand und 1970 mit der Davis-Cup-Mannschaft im Finale stand. Wenn Sie so wollen, war er der Vorgänger von Boris Becker.

Er erinnert uns daran, dass Düsseldorf wegen des World Team Cup eine der wichtigsten Tennisstädte auf diesem Globus ist. Einen kleineren Schläger schwang Eberhard Schöler von Borussia 08, der 1969 in München in einem legendären Spiel Vizeweltmeister im Tischtennis im Einzel und mit der Mannschaft wurde. Er führte im Einzelfinale gegen Ito (Japan) schon mit 2:0-Sätzen, verlor den 3. Satz 21:19 und dann 2:3. Wenn Sie beim Namen Schöler das Leuchten in meinen Augen bemerkt haben sollten, wissen Sie, wer der Held meiner Jugend war und welche Sportart ich betreibe.

Aber jenseits solcher persönlichen Reminiszenzen und jenseits der Helden der Sportgeschichte soll festgehalten: Düsseldorf ist eine Sportstadt von hoher Exzellenz, mit großem Imagewert für die Stadt, prägend für ihr Selbstbewusstsein. Und über Düsseldorf hinaus: Sport in allen Facetten ist ein wichtiges Thema, nicht nur für unsere Gesundheit, unsere persönliche, geistige wie körperliche, Fitness, sondern ein Thema, das tief in der Gesellschaft unserer Gegenwart wurzelt und es deshalb verdient, nicht nur heute und morgen, von den Archiven wahrgenommen und dokumentiert zu werden.
Ich wünsche Ihnen viel Freude und Wissenszugewinn bei den Besuchen der Düsseldorfer Archive. Sie alle sind dort auch über den Tag der Archive hinaus willkommen. Den Kolleginnen und Kollegen aus den Archiven wünsche ich, dass sie auf der Suche nach Sportler-Nachlässen und Vereinsarchiven fündig werden, damit die Rolle des Sports in Deutschland im frühen 21. Jahrhundert auch jenseits der Mega-Events angemessen hinterlegt ist.

Prof. Dr. Wilfried Reininghaus ist der Präsident des Landesarchivs NRW

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