Der literarische Nachlass des Gelsenkirchener Schriftstellers Michael Klaus (zu den bio-bibliographischen Angaben vgl. auch die Datenbank „Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren“, www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php) wurde Ende 2008 aufgrund eines Depositalvertrages mit der Nachlasserbin als Bestand 1026 in das Westfälische Literaturarchiv im LWL-Archivamt übernommen. Der Nachlass umfasst 166 Verzeichnungseinheiten mit Unterlagen von 1944 bis 2008. Das Findbuch kann online über das Internetportal NRW-Archive auf den Seiten des LWL-Archivamtes abgerufen werden.
Anmerkungen zu Biographie und Werk
Michael Klaus wurde am 6. März 1952 in Brilon geboren, wuchs jedoch auf in einer Arbeitersiedlung in Gelsenkirchen. Das Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch, Kunst und Kunstgeschichte in Bochum und Essen verband er mit dem Wunsch, literarisch tätig zu werden. Erste Veröffentlichungen, Lyrik und Hörspiele, reichen schon zurück in seine Studienzeit. Nach dem Ersten Staatsexamen mit einer Hausarbeit über Otto Wohlgemuth und den Ruhrland-Kreis und seinem Referendariat schlug er eine ihm angebotene Stelle als Studienrat aus und wurde freier Schriftsteller, dabei orientierte er sich an Autoren, die genau beobachten; Prosa und Drama sind für ihn die Darstellung dessen, wie Menschen miteinander umgehen. In Gelsenkirchen wurde er gefördert von Mitgliedern der Literarischen Werkstatt G. wie Hugo Ernst Käufer und Richard Limpert. Seine Bindung an die Heimatstadt ist vielfältig dokumentiert, sowohl in seinem literarischen Werk – am wirksamsten in den beiden dem FC Schalke 04 gewidmeten Bühnenwerken „Null Vier. Keiner kommt an Gott vorbei“ (2004) und dem Fußballoratorium „Die Tiefe des Raumes“ (2005) – als auch in seinem Engagement für lokale Kulturtraditionen; u.a. regte er 1989 einen Karl-Schwesig-Preis an und bewirkte damit die Wiederentdeckung des in Gelsenkirchen geborenen Mitglieds der Künstlervereinigung Das Junge Rheinland. Sein bemerkenswert vielseitiges literarisches Werk – er schrieb Gedichte, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten und journalistische Beiträge, arbeitete für Film, Fernsehen, Hörfunk, Sprech- und Musiktheater – war seit den ersten Veröffentlichungen begleitet von zunächst lokalen und regionalen Auszeichnungen und Stipendien; 1988 erhielt er eine Förderung des Deutschen Literaturfonds Darmstadt, 1991 den Literaturpreis Ruhrgebiet für sein Gesamtwerk, mit seinem Drehbuch zum Fernsehkrimi „Schimanski muss leiden“ war er 2000 für den Adolf-Grimme-Preis nominiert. Klaus gab Schreibseminare für kurze Prosa an der Universität Duisburg-Essen und leitete einen Ausbildungsgang Drehbuch an der Internationalen Filmschule Köln. Auf Vorschlag von Jürgen Lodemann, Hugo Ernst Käufer und Gerhard Köpf wurde er 2002 in den deutschen P.E.N. gewählt und war dort von 2003 bis 2007 als Vizepräsident für das Writers-in-Exile Programm verantwortlich, das Stipendien für politisch verfolgte Schriftsteller und Journalisten gewährt. Eine schwere Krebserkrankung machte den Verzicht auf die Präsidiumsaufgaben im P.E.N. notwendig, wurde jedoch überaus produktiv für seine literarische Arbeit: 2006 erschien der Roman „Totenvogel, Liebeslied“, dessen Handlung den Verlauf seiner eigenen Krankheit darstellt. Noch kurz vor seinem Tod am 1. Juni 2008 plante er eine Verfilmung dieses Romans und arbeitete an einer neuen Erzählung „Tage auf dem Balkon“ (erst posthum herausgegeben), die einen durch die Krankheit erzwungenen Rückzug in die Privatheit beschreibt.
Der Nachlass und seine Bearbeitung
Bei der Übernahme war der Nachlass nicht vorgeordnet; Werkzusammenhänge und sachlich-thematische Verbindungen mussten großenteils erst erschlossen werden. Die Werkmanuskripte sind der Klassifikation vorangestellt und in neun Untergruppen gegliedert, um die Vielzahl der von Michael Klaus gewählten Genres und Medien abzubilden. Die Korrespondenzen wurden in der vorgefundenen Ordnung mit beigefügten Materialien belassen; Lebensdokumente und Sammlungen bilden eine eigene Klassifikationsgruppe; Werke anderer Autoren sind in einer abschließenden Gruppe erfasst. Bei den Werken wurde möglichst die Textgenese berücksichtigt und das Vorhandensein unterschiedlicher Fassungen dokumentiert. Die Bild- und Tonträger im Nachlass wurden für die Verzeichnung identifiziert, sind jedoch teilweise noch nicht digitalisiert. Alle auf Disketten und CD-ROM gespeicherten Textdateien sind mit den schriftlichen Nachlassunterlagen abgeglichen und ggf. als Ausdruck beigelegt.
Überlieferungsschwerpunkt im Nachlass von Michael Klaus sind die Unterlagen zu seinem literarischen Werk. Die nachgelassenen Texte sowie Ton- und Bilddokumente spiegeln die Breite der Genres und Medien, in denen der Schriftsteller arbeitete. Häufig wird der Wechsel der Gattungen auch an einem Sujet ausprobiert: Romane werden zu Drehbüchern umgeschrieben oder für eine Verfilmung skizziert, Entwürfe als Erzählungen und Exposés für Filme und Hörspiele ausgearbeitet. Klaus verstand sein Schreiben als größtmögliche Annäherung an das Darzustellende; dies ist im Nachlass dokumentiert durch umfangreiche Materialsammlungen, die er zu einzelnen Werken oder Themen anlegte. Arbeitsbücher zum Schalke-Musical „Null Vier“ und dem Fußballoratorium „Die Tiefe des Raumes“, einem Auftragswerk für die RuhrTriennale 2005, belegen ein Literaturverständnis, das sich anlass- und genrebedingt einem kollektiven Arbeitsprozess einordnete. Bei den erzählenden Texten sind viele unselbständige Veröffentlichungen nachzuweisen, ein Indiz für die breite Vernetzung des Schriftstellers in der regionalen Literaturlandschaft.
Im Unterschied zu den Unterlagen zum Werk umfassen die Korrespondenzen nur die Jahre 1996 bis 2008 und enthalten keine Autographe von herausragender Bedeutung, vielmehr dokumentieren sie in ihrer Vermischung mit anderen Materialien ein sachlich-thematisches Ablage- und Ordnungsprinzip. Schriftwechsel zu Klaus’ Präsidiumstätigkeit für den deutschen P.E.N. ist kaum überliefert; dokumentiert ist jedoch seine redaktionelle Mitarbeit an der Anthologie „Die Zeit ist ein gieriger Hund. Texte aus dem Exil“ (2005) ergänzt um Sammlungen mit Dokumenten zum P.E.N. und den Programmen Writers-in-Exile und Writers-in-Prison.
Link: http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr=400&id=044&tektId=257
Eleonore Sent