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Bernd Kortländer: Literaturpreise in den Akten kommunaler und staatlicher Archive

Beispiele aus der Praxis

Literaturpreise haben für die Literaturforschung eine gewisse Bedeutung als Indikatoren sozialer Geschmacksnormen im Feld der Literatur. Sie können darüber hinaus Auskunft geben über das Verhältnis von Literaturbetrieb und gesellschaftlichen Strömungen. Im genuin literarischen Bereich, also etwa bei der Qualitätsfrage, sind sie kaum aussagekräftig. Ein Forscher, der sich für Literaturpreise interessiert, bringt also eher soziologische Fragestellungen mit in seine Archivarbeit. Denn daß gerade solche nur sehr oberflächlich aus gedruckten Quellen rekonstruierbaren Zusammenhänge wie die Verleihung von Literaturpreisen mit ihr vielfältigen Dynamik und komplizierten Ritualen nur über Arbeit im Archiv zu leisten ist, leuchtet bei einigem Nachdenken unmittelbar ein.

Ich habe diese Arbeit im Zusammenhang mit dem Immermann-Preis der Stadt Düsseldorf, der von 1936 bis 1967 vergeben wurde, und dem Großen Kunstpreis des Landes NRW, Abteilung Literatur, der von 1953 bis 1968 existierte, einmal durchexerziert. Die Ergebnisse sind gedruckt nachzulesen.
Was ich an diesem Beispiel gelernt habe, ist die notwendige Verzahnung von staatlicher Überlieferung und Nachlaßüberlieferung.

Die Akten zum Immermann-Preis der Stadt Düsseldorf sind im Stadtarchiv Düsseldorf sehr vollständig überliefert. Sie erlauben einen Überblick über die Bewerber - der Preis war öffentlich zur Bewerbung ausgeschrieben, auch wenn nie ein Kandidat ihn erhalten hat, der nicht vorher abgesprochen war. Dabei sind die Kandidaten, die den Preis nicht erhielten, oft ebenso interessant wie die, die ihn bekamen. Sie erlauben weiter einen Einblick in das Treiben der Jury, die Aufteilung der Aufgaben, die je nach Bekanntheitsgrad unterschiedliche Bezahlung und andere pikante Details.

Dasselbe gilt für den Großen Kunstpreis NRW, der im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf dokumentiert ist.

In beiden Fällen war der erste Preisträger nach dem Krieg - 1948 und 1953 - der Dichter Emil Barth aus Düsseldorf, dessen Nachlaß sich im Rheinischen Literaturarchiv befindet. Dieser Nachlaß ergänzt die beiden staatlichen Überlieferung hervorragend und umfassend. Erst die Briefe, die er mit wichtigen Entscheidungsträgern im Umkreis der Preise führte, läßt den wahren Hintergrund seiner Nominierung erkennen: Der einflußreiche CDU-Politiker und Düsseldorfer Rechtsanwalt wollte Barth, der ein typischer Vertreter der sogenannten inneren Emigration gewesen war und nach 1945 seinen dezidiert unpolitischen Begriff von Literatur weiter verfocht, zum literarischen Repräsentanten von NRW machen, der das Land in den verschiedenen Akademien und auch im PEN vertreten sollte. Zu diesem Zweck mußte er zunächst mit einigen Preisen gewissermaßen nobilitiert werden. Das Problem war dann allerdings, daß Barth sich für repräsentative Aufgaben nicht eignete, außerdem recht bald schwer erkrankte und bereits 1958 starb.