Aus dem Katalog: "Beiden Rheinufern angehörig". Hermann Hesse und das Rheinland (hrsg. v. Sabine Brenner, Kerstin Glasow und Bernd Kortländer), Düsseldorf 2002 (Reihe: Ausstellungskataloge des Heinrich-Heine-Instituts, hrsg v. Joseph A. Kruse) - vgl. dort: alle Fußnoten und Quellenangaben, die hier aus technischen Gründen entfallen!)
Hermann Hesse hat sich nicht nur als Autor einen Namen gemacht, der mit vielen literarischen Ehrungen bis hin zum Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Er war auch einer der fleißigsten Rezensenten, der sich in seinen Buchkritiken engagiert mit zeitgenössischer wie vergangener Literatur auseinandersetzte und so den Literaturbetrieb wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Zeit kommentierend begleitete. Bereits als Buchhändler und Antiquar in Basel lieferte Hesse literarische und literaturkritische Beiträge an die Presse. Diese Tätigkeit wurde von ihm in den folgenden Jahren erheblich ausgeweitet, teils aus Passion, aber auch, weil ihn seine Existenz als nunmehr freier Schriftsteller aus finanziellen Gründen dazu drängte.
Circa 3.000 Rezensionen sind von Hesse überliefert, die in zahlreichen deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt wurden. Die verwirrende Vielfalt von Hesses Rezensententätigkeit wird verstärkt durch die schon bald zur Gewohnheit gewordene Mehrfachauswertung, die Nachdrucke, die überarbeiteten Fassungen, die Collagen aus verschiedenen Texten und die Titeländerungen der Beiträge. Die meisten seiner Buchbesprechungen, aber auch viele seiner besten Erzählungen, Aufsätze, Betrachtungen und Glossen erschienen in der von ihm zusammen mit Albert Langen und Ludwig Thoma gegründeten Halbmonatsschrift »März«, für die Hesse bis Dezember 1912 als Mitherausgeber zeichnete. Weitere bevorzugte Veröffentlichungsorgane waren die »Münchner« und die »Neue Zürcher Zeitung«, der »Schwabenspiegel«, der »Berner Bund«, das »Schweizerland«. Auch die Zeitschrift »Die Rheinlande«, eine Monatsschrift für »deutsche Art und Kunst«, die von seinem Freund Wilhelm Schäfer herausgegeben wurde, verzeichnet Hesse als regen Mitarbeiter.
Ein großes rheinisches Tageblatt nahm ebenfalls zahlreiche Beiträge von Hesse in das Feuilleton beziehungsweise in die Buchbesprechungsbeilage »Die Literatur« auf. Es war die »Kölnische Zeitung«, deren Kunst- und Literaturkritiker Detmar Heinrich Sarnetzki sich dazu bekannte, ein großer Hesse-Verehrer zu sein. Die Geschichte der »Kölnischen Zeitung« läßt sich bis in das Jahr 1651 zurückverfolgen, als mit der »Postzeitung« die erste regelmäßig in Köln erscheinende Zeitung herausgegeben wurde. Der Aufstieg der »Kölnischen Zeitung« vom Provinzblatt zum Zeitungsblatt mit Weltgeltung vollzog sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Unter der Leitung von Joseph DuMont, Sohn von Marcus DuMont, steigerte sich die tägliche Auflagenhöhe der »Kölnischen Zeitung« auf 15.650 Exemplare. Damit hatte sie die »(Augsb.) Allgemeine Zeitung« weit überflügelt, die bis dahin als führend auf dem Zeitungsmarkt galt. Oft meldete die »Kölnische Zeitung« wichtige historische Ereignisse als erstes Blatt; eine Tatsache, die ihr den Namen »deutsche Times« eintrug. Die Chefredakteure der »Kölnischen Zeitung« Karl Heinrich Brüggemann, Heinrich Kruse, August Schmits und Ernst Posse setzten mit ihren Beiträgen Maßstäbe. Unter ihnen bildete sich die liberale politische Linie des Blattes heraus. Nach der Reichsgründung 1871 wurde in Berlin eine eigene Redaktion gegründet, um näher an den politischen Ereignissen und damit an den entsprechenden Informationen zu sein. Die »Kölnische Zeitung« kann sich auch rühmen, als erste deutsche Zeitung 1838 ein Feuilleton nach französischem Beispiel in die Tagespresse eingeführt zu haben. Die Liste der Mitarbeiter im 19. Jahrhundert weist renommierte Autorennamen auf, u. a. Berthold Auerbach, Ferdinand Freiligrath, Karl Gutzkow, Moritz Hartmann, Heinrich Laube, Fanny Lewald, Karl v. Perfall und Levin Schücking.
1913 übernahm Sarnetzki den Posten des Feuilletonchefs. Sarnetzki, 1878 in Bremen geboren, hatte beim »Bremer Tageblatt« sein Redaktionsvolontariat absolviert, ehe er ab 1903 für die »Kölnische Zeitung« als Kunst- und Literaturkritiker arbeitete und im Rheinland seine geistige und literarische Heimat fand. Er blieb der Redaktion 40 Jahre lang verbunden. Während des Nationalsozialismus zeichnete er jedoch nur noch für die Buchbesprechungsbeilage »Die Literatur« verantwortlich, ehe er 1943 wegen seiner jüdischen Ehefrau von seinen redaktionellen Aufgaben ganz enthoben und mit Schreibverbot belegt wurde. Sarnetzki selbst vertrat eher gemäßigt national-konservative Ansichten, lehnte den literarischen Expressionismus ab, achtete dennoch in seinem Feuilleton auf Ausgewogenheit der Beiträge. Er gehörte zu den Gründern des »Rheinischen Dichterbundes« und förderte u. a. Schriftsteller wie Herbert Eulenberg, Wilhelm Schmidtbonn, Leopold Sternberg und Clara Viebig. Sein »Rheinisches Dichterbuch«, eine Anthologie zeitgenössischer rheinischer Dichtung, erschien 1909, sein »Lied vom Rhein«, eine zweibändige Anthologie, kam 1922 heraus. Auch verfaßte er mehrere Dramen, so »Der Eroberer« (1912), »Der Ruf vom Meer« (1917) und »Semiramis« (1923). Ein »Kölner Sagenbuch« (1939) sowie die »Kölner Elegien« (1953) bezeugen gleichfalls die Verbundenheit Sarnetzkis mit seiner rheinischen Wahlheimat. Viele Jahre hatte er den Vorsitz im Landesverband Rheinland-Westfalen des »Deutschen Schriftstellerverbandes« inne. Große Verdienste erwarb sich Sarnetzki auch als langjähriger Vorsitzender der »Literarischen Gesellschaft« in Köln und als Vorstandsmitglied der dortigen »Bibliophilen-Gesellschaft«. Gustav René Hocke bezeichnete in seinen Erinnerungen Sarnetzki als den »Kritiker-Fürsten des Rheinlandes«. Sarnetzkis Nachlaß befindet sich heute im Heinrich-Heine-Institut.