Dass der Kunsthandel so lange aus den kunsthistorischen Befassungsmustern ausgegrenzt war, hat noch einen weiteren Grund, der - bewusst oder unbewusst - wohl auch in allen anderen Typen von Kulturarchiven zum Tragen kommt, für das ZADIK und sein Sammlungsprofil aber fundamental bestimmend ist: Im abendländischen Kultursystem gibt es eine lange und bis heute wirksame Tradition der "Ächtung der Ökonomie". Der Kunstsoziologe Walter Grasskamp hat sie in seinem Buch \'Kunst und Geld\' für das Kunstsystem explizit herausgearbeitet, ich kann sie hier nur stark vereinfacht zusammenfassen.[9]
Sie geht zurück auf die christliche (katholische) Lehre von der Sündhaftigkeit des Geldes, aus der auch eine äußerst virulente antisemitische Traditionslinie hervorgegangen ist, die besonders den Kunstmarkt seit der Mitte der 1920er Jahre betroffen hat. Im Zuge der allgemeinen Säkularisation aber hat das Kunstsystem auch selbst eine eigene Traditionslinie entwickelt, als es nämlich bestimmte Elemente der Religion übernommen und so eine Art ersatzreligiöse Funktionskomponente entwickelt hat, mit der die Ächtung des Ökonomischen bis heute tradiert wurde. In dieser Entwicklung, in die anfangs sicher auch der Geniebegriff einspielte, wurde der Künstler zum Schöpfer des Wahren, Schönen und Guten, der als zweiter Gott in einem höheren Schöpfungsdrang seine Kunstwerke schuf. Dass er dafür Geld brauchte und damit auch Geld verdiente, wurde konsequent verdrängt, und zwar so erfolgreich, dass eigentlich erst die Erfindung der ersten Kunstmesse 1967 in Köln dieses Denken offenbar werden ließ. [10]
Erstmals, so wurde in zahlreichen Presseartikeln thematisiert, machten viele Menschen die Erfahrung, Dinge kaufen zu können, die sie sonst nur auf Ausstellungen und „in der Kultstätte“ des Museums sehen konnten, und „deren private Aneignung“, gewöhnlich „ausgeschlossen“ war. Erstmals öffnete sich der Kunstmarkt zudem einer breiten Öffentlichkeit jenseits der kleinen Schicht der 'Eingeweihten'. [11] Diese 'Demokratisierung' des Kunstmarktes war Teil einer umfassenden Demokratisierungs- und Popularisierungsbewegung in der Kunstentwicklung der 1960er und 70er Jahre, in welcher auch die Berichterstattung über die aktuelle Kunstentwicklung eine über die bisherigen Fachorgane hinaus expandierende Medienpräsenz in den Massenmedien - auch den elektronischen - erlangte. Erst in dieser Zeit wurde der weit über das bloß Merkantile hinaus reichende, gestaltende Anteil des Kunsthandels an der zeitgenössischen Kunstentwicklung offensichtlich und allmählich Teil der wissenschaftlichen Betrachtung. Willi Bongard, Wirtschaftsredakteur bei der ‚Zeit’, begann im November 1965 eine Serie über das neue ‚Geschäft mit der Kunst’ mit einer Charakteristik der beiden 'Gesichter' der Kunsthändler: "Auf der einen Seite gelten sie - mit Recht - als Mittler, Entdecker und Förderer von Talenten, erfüllen sie eine wichtige Aufgabe als Advokat und Interpret und insofern als dankenswerte Wegbereiter der Kunst. Auf der anderen Seite spielen sie die Rolle von mehr oder weniger tüchtigen Geschäftsleuten, die Reklame machen, Rechnungen schreiben, Verträge aufsetzen, Versicherungen abschließen, Transportkosten aufbringen, Ausstellungen finanzieren, Bücher führen, Steuern bezahlen und was dergleichen kommerzielle und insoweit prosaische Aufgaben mehr sind." [12]