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Achim Wagner: einstiche. köln

Prosa

gedrehte speichen: herbstweg südstadt rote knöchel
an den rändern warnblinkzeichen lieferverkehr
kuriere in uniformen gestartete motoren eine bahn
schließt die türen... ich umfahre eine gruppe schüler
auf dem radweg den kopf noch im resttraum restraum
schlaf sind mir die morgenbilder oberfläche
ohne reflektion eins nach dem anderen & das
nächste ((die füße mechanisch auf den pedalen))...
die besiegten im park mit wein + bier zum aufstehen
seitwärts ein paar einwegkanülen von gestern &
hunde mit zottigem fell... kalter wind wie eine
frischluftdusche im gesicht stiche die augen tränen
auf der haut liegt die erinnerung an den beischlaf
nach mitternacht ruhe zwischen den beinen jetzt...
diesiges grau dicht über den dächern darunter
marktplatzschreie sonderangebote ein kind mit
anorak + strickmütze... ((hinter einem schaufenster
das nadelkissen am unterarm der schneiderin eine
hose auf der ablage abgesteckte maße ein ballen
grauer kordstoff daneben die nähmaschine
))...
im fünften gang über die uferstraße: der rhein im
nebel container gegen die strömung eine plastiktüte
wird an die böschung getrieben & mein magen
rumort ohne frühstück... zwischenstopp: kaffeebud
am ebertplatz: arbeiter in verschmierten
blaumännern bärte mit essenspartikeln rauch... auf
den stehtischen: gefledderte boulevardzeitungen...
industriebrötchen & schwarz läuft heiß in meinen
magen... wieder auf den sattel die flache stadt mit
dem dom in ausschnitten eine hand am lenker mit
der anderen kratze ich schlaf aus den augen... bei e
inem krankenhaus übt sich eine alte im
spaziergang auf krücken... ((vor 20 jahren wurde ich
notoperiert kam danach auf die intensivstation für
mehrere tage in beständigem künstlichen licht
infusionen meine finger auf der 10 cm langen narbe
vertikal den nabel abwärts mit sieben fäden geflickte
bauchdecke noch zwei wochen unter beobachtung &
eine weile verordnete ruhe... seitdem wird mir
schlecht wenn ich ein krankenhaus besuche
))...
gestautes blech nach einem auffahrunfall gezückte
handys einer fuchtelt mit den fäusten ein anderer
zündet sich eine zigarette an... studenten auf dem
weg zur universität vorbei an der betonmensa ein
bettler steht an seinem angestammten platz furchen
im gesicht die haare in strähnen auf der stirn eine
frau nestelt nach ihrer geldbörse... der himmel
beginnt zu grollen beinahe zeitgleich kalte tropfen
auf meinen kopf die jacke wird feucht gesprengelt
ich steige aus dem sattel erhöhte trittfrequenz bis zu
einem unterstand mehrminütiger wolkenguss
gespiegelte lichter auf der straße
schirmprozessionen rechts + links auf den
bürgersteigen braunes wasser strömt in die
abflüsse... plitsch platsch plitsch platsch plitsch
platsch ((rechte schuhspitze rhythmisch auf
schlierigem asphalt... warten... & warten... & warten:
bis die tropfen kleiner werden die abstände in denen
sie fallen länger... ich schlage den jackenkragen
hoch... im ersten stock auf der straßenseite
gegenüber beugt sich ein zahnarzt über den kopf
eines patienten))
... ich rolle das rad neben mir her:
rinnen hinter den reifen vergängliche spuren...
gedrehte speichen...


Achim Wagner, geb. 1967 in Coburg, lebt als freier Autor und Dramaturg in Köln; Lyrik, Dramatik und Prosa; Veröffentlichungen, zuletzt: anna beats – gesänge, edition roadhouse, Hannover, 2004 - Shesha – ein Südindien-Reisefragment, SuKuLTur, Berlin, 2004 - Kubanische Tage – ein Roman aus/in Havanna, AARACHNE Verlag, Wien, 2001