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Henning Heske: Landmarken I-VII

Gedichte

Landmarke I


Die Pyramide des Ruhrgebiets ist dreiseitig
und hohl. Nachts leuchtet sie
als Lichtskulptur. Die beiden Grabkammern:
Aussichtsplattformen zwischen Stahlrohren.
Ein extraterrestrischer Tetraeder über 90 Meter
Heimaterde, dem Monte Schlacko. Der Horizont,
ein Panorama des Strukturwandels:
stillgelegte Hochöfen und ehemalige Zechen,
Gartenstadtsiedlungen und Technologieparks.
Geschichte auf Halde oder
die Halde als (historisches) Ereignis?


Landmarke II


Die Dinosaurier des Ruhrgebiets sind stählern
und ausgebrannt. Nachts illuminiert.
Drei aufragende Hochöfen, dem Rost überlassen,
aufgebahrt in einem unenglischen Park.
Landschaft als Architektur und Museum:
Sinterbunker, Gasometer und Kraftzentrale.
Labyrinthische Industrierelikte eines Molochs.
In der Gleisharfe leben Mitglieder der roten Liste,
homolog zur Langsamkeit des Windrads.


Landmarke III–VII


Auf der höchsten Erhebung Castrop-Rauxels:
eine Krone aus Edelstahlstelen der Bergehalde Schwerin,
eine riesige Sonnenuhr. Anderswo ein begehbarer Vulkan.
Artefakte des Bergbaus. Der Mensch präsentiert sich
als geologischer Faktor und kultiviert den Abraum.
Hangböschungshalden, Spitzkegel, terrassierte Tafelberge.
Landschaftsbauwerke als eine Tierra helada,
begrünt nach allen Regeln der Pflanzensoziologie.
Wie Kubricks schwarzer Monolith ragt die Bramme
aus dem Gipfel, eine monumentale Walzstahlplatte
als Fixpunkt einer öden Kuppe. Eine Himmelstreppe
aus Sandstein und Granit verwandelt die Industriewüste
in ein mystisches Konglomerat. Die Metamorphosen
des tauben Gesteins: Skulptur, Kreuzweg und Amphitheater.
Kein Ort wie Falun, ein Helikon aus abyssalem Material.


aus: Ereignishorizonte, Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2003. 108 S. (ISBN 3-935877-76-5)


Henning Heske (* 20. März 1960 in Düsseldorf), Lyriker und Essayist, auch Verfasser von Kinder- und Jugendliteratur. Heske studierte Mathematik, Geographie und Germanistik an der Universität Düsseldorf. Dort promovierte er im Jahre 1988 mit einer Arbeit über den Erdkundeunterricht im Nationalsozialismus. Er veröffentlichte Kinder- und Jugendbücher sowie die Gedichtbände "Eisbärensommer" (1986), "Hafenreste" (1991) und "Ereignishorizonte" (2003). Seit 2001 Mitarbeit an der von Marcel Reich-Ranicki herausgegebenen Frankfurter Anthologie. Zuletzt erschien unter dem Titel "Goethe und Grünbein" (2004) eine Sammlung von Heskes Aufsätzen zur Literatur. Der Autor lebt in Dinslaken.