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Stan Lafleur: 5 Rheingedichte

Lyrik

der rheinfall


volle shampoonade! faellt der schweizerrhein
durch die touristenschleuse mitten in geweitete
objektive. ganz natuerliche randale. echt recht
erschwinglich brausts & tosts & tolle blickwinkel


von ueberall aufm kaenzeli. am himmel wehen
schweizerkreuze, aufgeregt flattern eintrittsbillets
durch wacklige handkamerasequenzen, gehen
baden in der schlagsahne des betagten stroms


ueber beiden ufern aufgespannt schiebt so`n
doppelregenbogen dienst, grueszt militaerisch
vermarktbar ist der flecken allemal. in die wildnis
geschippte busladungen bewundern gottes


spaetwerk: mensch tausend kubik pro sekunde!
aufm parkplatz im gourmet imbiss wartet das
schnitzel danach. baeumt sich auf in der pfanne
nichts ist von dauer, steht auf den papierservietten



niederrhein


hollaendische himmel tuermen sich
ueber trueben ruebenhuegeln, knollen
waellen. pralle planen ueberziehen
satte ballen strohs. radwanderwege


pappeln. weiden. die schlackernden
arme der windraeder. landschaften
betreiben. zur not auch mit beton
gruenzeugfreigehege. & rheinbraun


liefert den wolken den wasserdampf
aus filmkulissen-einspritzduesen
braune maulwurfhuegel. silberfarben
zieht der rhein durchs luftbild schleifen


als waer der landstrich zu verschenken
in ein fotorama eingepackt, mit allen
schlacken, allem matsch. mit seinen
wespen, graesern, rueben, menschen



neujahr am rhein


blaue stunde. walzende fluten. wie im kino
strahlt boeses licht. nahverkehrskruecken


die brueckenpylone ragen starr aus matsch
& roehrricht. fahrbahnen mit gekruemmten


ruecken: es geht stets ums streben, beugen
& buecken. sektflaschenscherben im uferkies


abgeschossne silvesterraketen. der dom
sieht aus wie von playmobil, der walzende


strom wie gefalteter stahl. aus kopfhoerern
quaekt richard wagner, i-pod-monumental


paare fuehren hunde spazieren. schafskoettel
dampfen im gras. walhafte frachter defilieren


die menschen wuenschen sich was



mairhein


droehnen. samstagnachmittag
vorgartensiedlung. rasenmaht
am bayerwerk ein eisenzaun:
die aue senkt sich in den rhein
am auslaufbauwerk angler die
wie werkschutzleute schaun
kuckucke rufen gurr. goldregen
bimmelt flirr im himmel. pfingst-
turniere. heckenrosenueberdosen
der heilige geist spielt die kirch-
glocken selbst, mit ohne gefuehl
uebern sportplatz scheppern
hits vom letzten sommer. alles
knallt. entfaltet rohe lust & gewalt



oktoberrhein (sturmtief jeanett)


ich sah den rhein in grauer statik westwaerts gleiten
seine oberflaeche roch nach frisch erstarrtem blei
drueber peitschten sturmkartaetschte gischtbreitseiten
entlaubte pappeln. hagebutten flogen mir durchs haar


& fratzen schnitt der wind in boeenduenungsbuesche
silbrige weidenwedel schraeg gestellt zur welt
im wellengang geduckt krochen containerschiffe
als haett man kinder auf den weg zum gottesdienst gequaelt


aus ruszig schwarzen wolken brachen boeen, boeen
ueber boeen rasten uebern flusz, die ufer, in die straszen
laermten, brachen ins gebuesch & schnitten atem ab
pfiffen lieder, deren text wir laengst vergaszen


am naechsten morgen war der rhein dann blau & klar
als sei nichts vorgefallen. nur der skelettoese
ufersaum stand nasz & nackt wie nach der mauser da
& ich spuerte so ein boeses ziehen im gekroese


(aus: neue heimat, KRASH Neue Edition, Stahl-Verlag, Köln 2004)