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Stan Lafleur: Neue Heimat

rezensiert von Magarete Muschkiet und Jacqueline Compain

Mainstreamdichtung? Lehrbuchlyrik? Schreibtischideen?
Weit gefehlt! 80 Seiten Dynamik mit Biss erwarten den Leser in Stan Lafleurs (Pseudonym)
ersten Gedichtband „Neue Heimat“.
Als Taschenbuch 2004 in „KRASH Neue Edition“ des Stahlverlages Köln erschienen, liefert diese repräsentative Auswahl seines Gesamt- werkes sechs eigenständige Kapitel. Meist lyrisch, aber auch in prosaischer Form, schildert Lafleur aktuelle, sozial-realistische, urbane Themen und Probleme.

Von Kampfhunden über Fußball bis hin zur entidyllisierten Rheindichtung, mal trashig, mal kritisch und gewagt, jedoch nie ohne intelligenten Witz und Charme, spricht Stan Lafleur jede Lesergruppe an. Von besonderem Interesse ist dieses Buch für Menschen, die im Köln-Düsseldorfer-Raum wohnen oder eine Beziehung zu Deutschlands viel beschriebenen Strom, dem Rhein, haben.

Der Autor, Graphiker und Spoken-Word-Performer Stan Lafleur ist zwar 1968 in Karlsruhe geboren, studierte aber an den Hochschulen in Düsseldorf und Köln. Heute lebt und arbeitet der Allrounder in Köln. Neben der Organisation von literarischen Veranstaltungen und mehreren kleineren Publikationen initiierte er unter Anderem die „Kölner Sprechecke“ im dortigen Stadtgarten.
Dieses für die Region und Kultur wichtige Forum für Schrift- und Vortragskunst, bestehend seit 1997, basiert auf dem Grundgedanken des „Speaker`s Corner“ im Londoner Hyde-Park und lockte seit seinem Beginn viele interessierte und begeisterte Zuschauer an.
Desweiteren gründete Lafleur im August 2001, zusammen mit Enno Stahl, die Literaturvereinigung „Rheinische Brigade“.
Zahlreiche Auszeichnungen, wie beispielsweise der „Literaturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Lyrik“, bestätigen die außergewöhnliche Sprachbegabung des Neu-Kölner.
Lafleurs Talent ist vielseitig, seine Texte sind innovativ, engagiert, nahe am Menschen und nahe an der Zeit. Genau das passt in das Konzept der von Enno Stahl im April 2004 ins Leben gerufenen Reihe „KRASH Neue Edition“. Junge, experimentelle, moderne und lebendige Lyrik, die sich von Schreibnormen löst und eingefahrenen Mustern abhebt, tritt hier in einheitlichen, schlichten Buchcovern (Kennzeichen: roter Punkt) als Serie auf.

Insbesondere die Komposition von „ Neue Heimat“ besticht durch eine unwiderstehliche Mischung. So wird beispielsweise die Idylle des Rheinlaufes abrupt gebrochen und durch Verknüpfungen von Szenarien der Landschaftszerstörung, Flussverschmutzung und Hochwasserkatastrophen parodiert. Sturm, Regen, Atomkraftwerke, Kohlebergwerke charakterisieren nun die Lebensader, die insbesondere von den Rheinromantikern verherrlicht wurde. Würde Heinrich Heine in der heutigen Zeit leben, würde er wahrscheinlich mit Stan Lafleurs Worten sagen: „der Fluss sah aus wie jemand, der die falsche Pille schluckte.“
Obwohl Lafleur Kritik übt und seine bildlichen Darstellungen manchmal überspitzt schildert, handelt es sich keineswegs um ein depressives Buch für melancholische Stimmungen. Dass der Autor ebenso eine positive Beziehung zum Rhein hat, zeigt sich in seinen legendären Flaschen-Post-Lyrik-Performances. Während diesen Aktionen schickt der Autor jeweils eines seiner Rheingedichte in einer Weinflasche auf eine Rheinreise. Der Finder darf sich am Geschriebenen erfreuen und ist zugleich zu einer Flasche Wein bei Stan Lafleur eingeladen.
Auch wenn viele seiner Events nicht selten in einer großen Party münden, soll gerade „Neue Heimat“ auf eine unterhaltsame Art zum Nachdenken anregen. Durch die ausgeprägte Metaphorik und Rhythmisierung sind die Gedichte und Prosastücke zwar anspruchsvoll, aber thematisch und intentonal leicht zu verstehen.
Durch die verwendete moderne Sprache öffnet dieses Buch seine Pforten auch für ein jüngeres Lesepublikum. Der Autor macht deutlich, dass Dichtung kein verstaubtes Dasein führt oder gar gestorben ist. Er orientiert sich an Boulevard- und Popkultur und trifft mit „Neue Heimat“ den Nerv der Zeit. Stan Lafleurs stachelige Anspiegelungen machen auch vor bekannten Namen keinen Halt.
So wird z.B. die Kritik an der Konsumgesellschaft und das Streben nach Geld an Hugo Boss und Otto Mess veranschaulicht.
Durch eine jahrelange Zusammenarbeit mit Musikern und der Mitwirkung an zahlreichen MC`s, CD`s, LP`s und Radioauftritten, versteht er es Texte zu komponieren und rhythmisch- melodiös klingen zu lassen.
Dadurch eröffnet dieser Gedichtband Lesungen an ungewöhnlichen Orten.
Musik, Kunst und Literatur finden hier eine Symbiose, die zu funktionieren scheint. Personifikationen, Ellipsen, Metaphern, das Weglassen von Satzzeichen und die saloppe Sprache rufen gerade danach gelesen und vorgelesen zu werden.
Stan Lafleur zeichnet sich durch eine besondere Vortragsgabe aus, doch wenn man dieses Buch zur Hand nimmt, wird man feststellen: seine Texte sind Performance.

Stan Lafleur, Neue Heimat, Krash Neue Edition im Stahl Verlag, Preis: 8.50 EUR, ISBN-NR 3-937846-01-8