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Susanne Schwabach-Albrecht: Hermann Hesse und die »Kölnische Zeitung«

Hesse und das Rheinland
In der Morgenausgabe der »Kölnischen Zeitung« (Nr. 325) vom 21. März 1913 erschien erstmals ein Beitrag von Hesse mit dem Titel »Fliegen«. Hesse hatte den Artikel der »Kölnischen Zeitung« als Erstdruck angeboten. Fünf Tage später, am 26. März 1913, erschien »Fliegen« auch in der »Dresdner Volkszeitung« (Nr. 68). Dieser Beitrag ist eine der für Hesse typischen kleinen Betrachtungen über den Eindruck, den er bei seinem ersten Flugerlebnis gewonnen hatte. Für Hesse stand fest: Fliegen stillt die Sehnsucht nach Ferne und Abenteuer nicht, sondern »erregt«, »verstärkt« und »vertieft« sie.
Danach brach die Mitarbeit an der »Kölnischen Zeitung« für beinahe 14 Jahre wieder ab. Ob dies mit der während des Ersten Weltkriegs einsetzenden Pressekampagne gegen Hesse zusammenhing, die mit dem Artikel »Ein deutscher Dichter« im »Kölner Tageblatt« vom 24. Oktober 1915 ihren Anfang nahm und in dem Hesse, der 1912 ganz in die Schweiz übergesiedelt war, der »Drückebergerei« bezichtigt und als »vaterlandsloser Gesell« bezeichnet wurde, darüber kann nur spekuliert werden. Jedenfalls erschienen die ersten Beiträge Hesses erst wieder ab 1927 in der »Kölnischen Zeitung«, und jetzt wird er für einige Jahre zu einem festen und regen Mitarbeiter von Sarnetzkis Feuilleton.
»Rückkehr aufs Land« in der »Kölnischen Zeitung« (Nr. 320 b) vom 1. Mai 1927 war wieder ein Erstdruck. Wie so oft hatte Hesse hier Buchempfehlungen in ein unterhaltsames Feuilleton verpackt. Besprochen wurde eine gelungene Mischung von historischen, kulturhistorischen und philosophischen Themen.

Hesse rezensierte grundsätzlich nur Bücher, die er schätzte, und zu denen er ein persönliches Verhältnis entwickelt hatte. Er sah sich in seiner Kritikerrolle als eine Art Vermittler zwischen einem anderen Autor und dem Lesepublikum, der ehemalige Buchhändler sprach eine Empfehlung an seine fiktive Kundschaft aus. Sein Grundsatz hieß, das Gute anzuerkennen und zu propagieren, das Geringe gar nicht zu diskutieren. Dies machte er schon 1908 dem Schriftsteller und Bernard Shaw-Übersetzer Siegfried Trebitsch klar: »Ich bin kein Kritiker. Wenn ich über Bücher schreibe, tue ich es nur, um sie zu empfehlen, und nur bei Sachen, die mich verwandt anmuten.« Dieses Prinzip einer positiven und aufbauenden Kritik war neu, blieb das Markenzeichen von Hesses Rezensententätigkeit bis zum Schluß.
1927 erschienen noch vier weitere Beiträge von Hesse in der »Kölnischen Zeitung«; im Jahr 1928 waren es sogar insgesamt acht Feuilletons und kleinere Erzählungen (Titel s. Anhang).
Zu Beginn des Jahres 1929 tauchten leichte Spannungen im Verhältnis von Hesse zu Sarnetzki auf. Hesse, der sich auf Reisen befand, meldete sich von unterwegs mit den Worten:

»Ich erhielt Ihre Zeilen vom 24. Januar mit der Rücksendung meines Feuilletons, das um nichts schlechter ist als irgend eines meiner früheren. Ich bin betrübt darüber, dass meine Arbeit plötzlich Ihren Beifall nicht mehr hat. Dass ich, dem Publikum zuliebe, optimistischer schreiben soll als ich denke, ist eine Zumutung, die Sie wohl nicht ernst meinen. Ich stehe zu der Anschauung, die ich seit bald 30 Jahren vertrete und die mich schon während des Krieges, wo auch allgemeiner Optimismus Trumph war, in Konflikt mit der deutschen Oeffentlichkeit brachte. Dass ich mein Gesicht und meinen Ton ändern soll, dazu ist keine Aussicht, bei aller alten Hochachtung vor Ihrer Zeitung und deren Redaktion.«

Diese Haltung war typisch für Hesse. Konzessionen an den Geschmack des Lesepublikums, an eine Zeitströmung oder an Verlegerwünsche lehnte er konsequent ab. So wehrte er sich gegen die Aufforderung, für eine neue Auflage der »Bibliothek der Weltliteratur« »zeitgemäße« Änderungen vorzunehmen, mit der Bemerkung: »Ich halte nicht heute Bücher und Autoren für minderwertig, weil der Zeitgeschmack es tut, und streiche aus meinem Essay nicht Dinge weg, die mir lieb und wichtig sind – bloß weil die Konjunktur das nahelegt.«
Am 6. Februar 1929 machte er seinen Standpunkt mittels einer Postkarte an Sarnetzki noch einmal deutlich: »Mein Pessimismus der heutigen ›Kultur‹ gegenüber ist vollkommen, u. gerade dies äußert sich in meinen gelegentlichen Feuilletons, sie sind Reaktionen auf die Umwelt; das Andere, nicht Momentane u. nicht Pessimistische, steht in meinen Büchern, die mit dem Tag u. der momentanen Umwelt wenig rechnen.« Um welches Feuilleton es sich im Fall der »Kölnischen Zeitung« handelte, das diese Ende 1928 oder gleich zu Beginn des Jahres 1929 abgelehnt hatte, darüber kann man nur Vermutungen anstellen, da der Titel in den Postkarten Hesses an Sarnetzki nicht erwähnt wird und die Gegenbriefe Sarnetzkis nicht bekannt sind.

Tatsächlich hatten die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und die psychische Krisis im Jahr 1916 Spuren im Werk Hesses hinterlassen. Eine Desillusionierung – manche sahen darin Pessimismus – war nicht nur in Hesses politischen Publikationen der ersten Kriegsjahre herauszuhören, sondern machte auch den Ton in seinen Feuilletons und Buchbesprechungen aus. Möglicherweise hatte die »Kölnische Zeitung« das Feuilleton »Verregneter Sonntag« abgelehnt, aus dem eine tiefe Bedrücktheit spricht, gepaart mit einer gewissen Lust an der eigenen Weltuntergangsstimmung, wenn es am Ende heißt: »Aber, so denke ich mir in meiner verregneten sonntäglichen Trägheit, es brauchte das Meer nur um wenige Dutzend Meter zu steigen, dann wäre alles das ausgelöscht und ersäuft, was den Lärm und den Unfrieden in die Welt bringt. Es liegen nahezu sämtliche Weltstädte nur in sehr kleiner Erhöhung über dem Meere, und wenn es zwanzig Jahre regnen müßte, damit der Jura und der Schwarzwald und die Alpen ersäuft würden, so würde es für New York, London, Berlin usw. unendlich viel weniger Zeit brauchen. Wie sehr schade es darum sein würde, ist ja nicht auszudenken. Aber an einem Regentag mit diesem Gedanken zu spielen, ist merkwürdig befriedigend.«

1929 erschienen fünf weitere Beiträge Hesses in der »Kölnischen Zeitung«. Das Feuilleton, das er am 2. November 1929 einsandte, wurde jedoch ebenfalls abgelehnt. Diesmal handelte es sich um den Titel »Schaufenster vor Weihnachten«. Hier machte Hesse die Diskrepanz deutlich, die zwischen dem eigentlichen Sinn der »Heiligen Nacht« besteht und dem »weltlichen Konsumterror«, der jedes Jahr vor Weihnachten die Menschen beherrscht. Der Beitrag war bereits am 11. Dezember 1927 im »Berliner Tageblatt« abgedruckt worden und hatte dort keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben.
Auch in den folgenden Jahren erschienen weiterhin Beiträge von Hesse in der »Kölnischen Zeitung«, allerdings keine Erstdrucke mehr. Erst ab 1933 ist ein deutlicher Rückgang seiner Beiträge zu verzeichnen, der mit den neuen politischen Verhältnissen zusammenhing. Von 1933-1935 erschien pro Jahr nur noch jeweils ein bereits bekannter Artikel Hesses; ein letztes Mal schließlich war er 1941 in der »Kölnischen Zeitung« vertreten.
Nach 1936 stellte er seine Rezensententätigkeit in deutschen Blättern gänzlich ein. Er war in der deutschen Presse so gut wie nicht mehr präsent, außer mit gelegentlichen Abdrucken seiner Gedichte. Hesses Werke waren zwar während des Nationalsozialismus nicht verboten, wurden aber nicht mehr neu aufgelegt. Der Autor wurde, wie schon in den Jahren des Ersten Weltkrieges, in der Presse angegriffen und diffamiert, diesmal u. a., weil er noch nach 1933 auch Bücher jüdischer Autoren rezensierte und empfahl. So kam es, daß er 1937 anläßlich seines 60. Geburtstages im »Simplicissimus« mit dem Vierzeiler verunglimpft wurde:

Die ganze deutsche Presse
notiert für Hesse Baisse.
Ja, gäb es noch den Mosse
dann hätte Hesse Hausse!

Um so höher ist es Sarnetzki anzurechnen, daß er im Gegensatz dazu Hesses 60. Geburtstag in der »Kölnischen Zeitung« würdigte. Am 11. Juli 1937, neun Tage nach dem Geburtstag des Schriftstellers, erschien eine ausführliche Besprechung der neuesten Werke Hesses, nämlich der Bücher »Neue Gedichte«, »Gedenkblätter« und »Stunden im Garten«. Diese Rezension ist eine Hommage Sarnetzkis an den Autor, in der er sogar versteckt Kritik an den zeitgenössischen literarischen Verhältnissen übt, wenn er vielsagend betont: »Und es kommt hinzu, daß Stil und Sprache von einer Vollkommenheit sind, wie wir sie anzutreffen heute mehr denn je, als Gunst und Gnade empfinden müssen.«


Anhang

Hesses Prosabeiträge in der »Kölnischen Zeitung«


1913:
»Fliegen« (21. März)

1927:
»Rückkehr aufs Land« (1. Mai)
»Bilderbogen von einer kleinen Reise« (29. Mai)
»Der Satyr« (8. Okt.)
»Mwamba« (27. Nov.)
»Stiller Abend« (2. Dez.)

1928:
»Ins Gebirge verirrt« (9. Febr.)
»Eine Freundin« (26. April)
»Die Magnolie« (15. Mai)
»Ein Abend in Como« (6. Juni)
»Virtuosenkonzert« (7. Juni)
»Das Sterben eines Sommers« (19. Aug.)
»Chinesisches« (25. Sept.)
»Herbstgedanken« (23. Okt.)

1929:
»Luftreise« (9. März)
»Vorfrühling in der Stadt« (26. März)
»Zwischen Frühling und Sommer im Tessin« (15. Juni)
»Aus dem Tagebuch eines Entgleisten« (7. Sept.)
»Wie König Yu unterging« (22. Okt.)

1930:
»Umbrisches Städtchen« (8. Febr.)
»Der Traum eines Jünglings« (3. Mai)
»Schwäbische Kunde. Ein Scherz« (8. Juli)
»Der Judasbaum« (6. Sept.)
»Herbstlicher Tag« (4. Okt.)

1931:
»Franziskanische Legende« (27. Jan.)
»Spaziergang in Würzburg« (24. März)
»Zwischen Sommer und Herbst« (15. Sept.)

1932:
»Winterbesuch am Gotthard« (9. Jan.)
»Chagrin d’amour« (26. April)
»Der Klosterbrunnen« (19. Juli)

1933:
»Variationen über ein Thema von Wilhelm Schäfer« (25. Juni)
»Ein Mensch mit Namen Ziegler« (Nr. 41)
»Das Blumenspiel« (Nr. 351)
»Calw an der Nagold« (Nr. 583)

1934:
»Jacöbli erzählt« (25. Okt.)
»Studien in einem Speisesaal« (Nr. 58)
»Das Paradies im Urwald« (Nr. 204)
»Aus der Knabenzeit« (Nr. 400)

1935:
»Spätsommerabend« (3. Sept.)

1939:
»Knabenerlebnis« (Nr. 104)
»Der Brunnen« (Nr. 183)

1940:
»Flossfahrt« (5. Mai)

1941:
»Schlechte Gedichte« (Nr. 21)


Quellen
Joseph Mileck: Hermann Hesse. Biography and Bibliographie Vol. I., Part Prose. Berkeley/Los Angeles/London 1977.
Klaus-Dieter Oelze: Das Feuilleton der Kölnischen Zeitung im DrittenReich. Frankfurt a. M./Bern/New York/Paris 1990.

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