eingerollte schläfer in den hausecken am ku’damm
sommerstadt berlin vier uhr morgens vereinzelte
fahrzeuge auf den straĂźen polizei & lieferverkehr
uringestank... zwei bardamen mit
ĂĽbereinandergeschlagenen beinen sitzen auf
klappstĂĽhlen vor einem leeren nachtlokal mit rotem
neonherz ĂĽber dem eingang... eine frau schwankt
auf mich zu die augen glänzen ihre sätze riechen
nach bier + korn was sie sagt kann ich zunächst
nicht verstehen ihr kopf neigt sich an meine schulter
& fĂĽr einen moment halte ich sie in den armen k-k-k-
kommmsssstte mmmmit z-z-z-m-mmiiiir? ich schĂĽttle
den kopf sie stößt mich weg & wankt & flucht... an
einer imbissbude stehen die jungs eines
sicherheitsdienstes schlägergesichter mit glatzen in
roten t-shirts: laute sprüche gelächter ((&)) eine hure
beendet ihre schicht die schminke verschmiert die
stiefel in der hand barfuĂź mit dem taxi vom zoo ans
ende der nacht... es sind 27 schleusen bis zum meer
erzählte der bootsverleiher nachmittags im treptower
park & zeigte die richtung: meine hände an die ruder
den rücken zur sonne schläge in die spree... noch
vor der ersten schleuse kehrte ich um erschöpft mit
schwielen an den fingern... jetzt suche ich das meer
am himmel hinter den bahngleisen einen nordstern
zur orientierung fĂĽr ein erfundenes floĂź vergebens...
ein renter fragt mich nach feuer ich zĂĽnde seine
zigarette an meinen namen möchte er wissen achim
knurre ich & erwarte einen monolog den ich nicht
hören möchte aber der alte sagt bloß vielen dank
achim lächelt nickt geht ((& ich bin beschämt))... drei
druckfrische zeitungen klaue ich aus briefkästen als
decken für mein temporäres bett = eine holzbank an
der kaiser-wilhelm-gedächtniskirche... in meinen
hosentaschen finde ich zwei geldscheine & stopfe
sie in die schuhe... mein gepäck vermute ich in
einem schlieĂźfach zu dem mir der schlĂĽssel fehlt...
ich spüre falten auf der stirn einen müden körper der
jeden gedanken besiegt & fĂĽhle mich wie eine
nebenfigur in einer maxim-gorki-geschichte auf
durchreise... den ersten zug nach dem aufstehen
werde ich nehmen nach links oder rechts... es sind
27 schleusen bis zum meer...
(2002)
Achim Wagner, geb. 1967 in Coburg, lebt als freier Autor und Dramaturg in Köln; Lyrik, Dramatik und Prosa; Veröffentlichungen, zuletzt: anna beats – gesänge, edition roadhouse, Hannover, 2004 - Shesha – ein Südindien-Reisefragment, SuKuLTur, Berlin, 2004 - Kubanische Tage – ein Roman aus/in Havanna, AARACHNE Verlag, Wien, 2001